Politische Musicalsatire
Vít Závodský 14. September 2010 zdroj Wochenblatt Rozhlas
Schon seit sechs Jahren bietet das Stadttheater Brno auf seiner modernen Musikbühne ein buntes, hochwertiges, vom Publikum ausgesuchtes und von Experten hoch geschätztes Repertoire von Weltmusicals, klassischen Operetten und vor allem Neuheiten aus der eignen Autorenwerkstatt an. Zu diesen kann man auch die gegenwärtige Einstudierung der Vorlage des Dichters Jiří Žáček und des Komponisten Zdenek Merta Das Vogelspiel nach Aristophanes zählen.
Ähnlich wie in seinen mehr bekannten Stücken (Der Frieden, Lysistrata) fasste der antike Komödienautor im Vögelspiel (414 v. Chr.) die Zeitverhältnisse in seiner Vaterstadt Athene ins Auge, so dass es heutig nötig ist, gewisse Bearbeitungen durchzuführen. Der Regisseur und Direktor des Stadttheaters Stanislav Moša studierte diesen Text schon während seinem Studium an der Janacek Akademie der musischen Künste (1982) ein und kurz vor den Novemberereignissen führte er die empfindliche, witzige Versbearbeitung von Žáček im Prager Nationaltheater auf (1982). Die diesjährige Inszenierung zeigte, dass sich diese nur wenig innovierte Version ihre Verständlichkeit, Ideenaktualität, Unterhaltsamkeit sowie Anziehungskraft für Zuschauer beibehielt.
Die aristophanische Geschichte mit respektierter Handlung über zwei Kumpanen, agil pragmatischen Primabrachos (= guter Berater) in der Darbietung von Martin Havelka und mehr passiven Doufalion (= gute Hoffnung) in der Darbietung von Tomáš Sagher, welche die Gefieder demagogisch dazu bringen, ein Wolkenkuckucksheim auszubauen, ihr freies Reich schrittweise beherrschen und sogar mit den Götter geschickt manipulieren, verbindet ganz gelungen mehrere Genreebenen. Die mehr kompakte erste Hälfte bietet vor allem die metaphorische Märchenschau, währen der wir auf der vertikal gegliederten, halsbrecherischen Szene von Christopher Weyers, in inventionellen Kostümen von Andrea Kučerová und in der Choreographie von Aneta Majerová und bei dem live spielenden Orchester von Dan Kalousek die erfinderischen Etüden von auffällig geschminkten und wirklich fliegenden Vögel beobachten.
Der weniger konzentrierte zweite Teil mit der Infiltration von opportunistischen Menschen und Göttern in ihre sich zerfallende Gesellschaft ist dann mehr an die heimische Gegenwart gezielt: in der Kabarettlage, doch ohne karikierende Unterbietung und eher in Andeutungen und Anspielungen, reflektiert er satirisch unsere politische Szene. Zahlreiche alternierte Besetzung (es sind mindestens die eruptive Henne von Zdena Herfortová und der polyglotte Laureat von Erik Paruds zu erinnern) bekommt Applaus auf offener Szene. Dieser nicht zu viel lange Abend wird sie sicher unterhalten, doch auch gefrieren lassen.
Das Vogelspiel hat auch nach zwanzig Jahren viel zu sagen
Luboš Mareček 5. Mai 2010 zdroj MF Dnes
Das Stadttheater Brno setzte auf die alt-neue politische Musiksatire Vogelspiel nach Aristophanes. Der Autor und Dichter Jiří Žáček, der Komponist Zdeněk Merta und der Regisseur Stanislav Moša kehrten im Abstand von zwanzig Jahren zu dem Text zurück, dessen erste Aufführung im Prager Nationaltheater stattfand. Einige Monate vor dem Umsturz kräuselte dieses Stück, in dem auch die karikierte Vogel-Internationale zu hören war, die Wasser des sozialistischen Theaterwesens. Als der Regime nach dem November besiegelt war, wurde das Vogelspiel von Žáček aus dem Spielplan gezogen. Wundervolles Paradox dieser Abtötung der Inszenierung: die Bühnenschaffenden hatten nach der Änderung des politischen Systems Angst, dass der Titel als Parodie der Samtrevolution begriffen wird.
In dieselben Flüsse hinabsteigen, das stellt im Genre der politischen Satire ein Risiko dar. Angegangener Jux ist das schärfste Theatergift. Und in dieser dramaturgischen Optik ist es schön festzustellen, in welcher ausgezeichneten Kondition das Textbuch von Žáček blieb. Selbstverständlich machte der Dichter einige kosmetische Änderungen (zum Beispiel der Geldhändler wurde zu moderner Tiersorte Lobbyist), aber die aus Aristophanes Werk Die Vögel ausgehende Satire blieb treffend und verständlich.
Karikatur der politischen Zugtiere
Die Geschichte von zwei Athener Bewohner, die durch geschickte Manipulation das Vogelreich beherrschen und in dieses die schlimmsten menschlichen Prototype einführen, ist auch in ihrer neuen Variante ein rechter Spaß. Ins Verhör werden hier die Partei mit einem Vogel auf dem Schild sowie ihre direkte Konkurrenten genommen, aus der Bühne kommen Karikaturen der heimischen politischen Zugiere aus. Das sarkastische Bild hat in der Regie von Moša Maßgefühl (Anspielung an die tschechischen Mitbürger, die auf ihr müheloses Paradies in Kanada warten, wird vielleicht für jemanden eine reine Fremdenfeindlichkeit). Zum Glück stellt die Inszenierung Vogelspiel vor den Zuschauer nicht nur die Märchenmetapher über Korrumpieren der einst freien gefiederten Welt. Gerade die Anspielungen aus der inländischen Gegenwart geben ihr Leben zurück und stellen auch den Rahmen für ihre bestehende Existenz dar.
Unkomplizierter und direkter Spaß passt dem Publikum so gut an, dass einen Applaus an der offenen Szene oft zu hören ist. Der Meistermonolog der quakenden Henne in spontaner Darbietung von Zdena Herfortová ist mehr als eine Inszenierungsdelikatesse. Es ist eine hinreißende schauspielerische Eruption, ähnlich wie die Leistung von Michal Isteník, der als die Taube die ganze tschechische Rasse ironisiert. Martin Havelka in der Gestalt des Kumpanen Primabrachos genießt mit giftiger Bissigkeit und vergnügter Obenansicht sein Zerstörungswerk.
Ein wirkliches Erlebnis für die Zuschauer ist die Szene von Christopher Weyer sowie die Kostüme von Andrea Kučerová, die das Schminken zur Charakterisierung der Vögel einfallsreich ausnutzte. Die vorgeführten Bewegungsstudien des Vogelreichs sind auch schauspielerisches Gewürz des ganzen Abends mit interessanter Musikbegleitung von Merta.
Die beinahe Operettenunterhaltung würde auch ein grober graduiertes Ende ertragen. Vor die um ihre Freiheit und Zukunft bestohlenen Vögel sinkt ein riesiges Netz herab. Sie sind im Käfig kompromisslosen Diktats gefangen. Dieses gruselige Ausrufezeichen wurde doch in der Inszenierung nicht deutlicher modelliert. Auch trotzdem kehrte mit dem Vogelspiel das bedrohte und beinahe ausgestorbene Genre auf die tschechischen Bühnen zurück.
Vogelspiel nach Aristophanes
David Kroča 3. Mai 2010 zdroj Rezension für den Tschechischen Rundfunk Vltava
Kann diese Komödie von Jiří Žáček, die in der Zeit vor der Samtrevolution geschrieben wurde, auch bei einem anderen Regime aktuell sein? Zweifellos ja, sagten sich die jungen Dramaturgen Klára Latzková und Jan Šotkovský und bearbeiteten den originellen Text, der die Totalität angreift, in gegenwärtige politische Satire. Während sich im Jahre 1989 auf der Bühne des Prager Nationaltheaters um ein Volksschelmenstück mit Gesängen und reproduzierter Musik handelte, handelt es sich heute im Stadttheater Brno um eine Musicalkomödie mit einem live spielenden Orchester und einzigartigen sängerischen Soloauftritten. Während damals vor allem die phrasenhafte Sprache der Funktionäre zum Gegenstand des Gespötts war, ist heute die Quelle des Humors die Politik in allen ihren Formen, einschließlich des Lobbings.
Das Libretto von Jiří Žáček schöpft seine Motive aus der Komödie Die Vögel von Aristophanes. Zwei Kumpane mit den vielsagenden Namen Primabrachos (= guter Berater) und Doufalion (= gute Hoffnung) schaffen es, die Bewohner des Vogelreichs zu überzeugen, dass sie begonnen müssen, die Welt zu regieren. Die geriebenen Intriganten zusammen mit dem schlauen Wiedehopf und dem Vogelhaupt Geier bilden schrittweise eine Kaste der Selbstherrscher, welche die Individualität sowie ihre Gegner bravourös bekämpft, so dass alle Mitglieder des Vogelgeschlechts in einen Käfig geraten. Die Symbolik des Käfigs, in dem alle geschlossen sind, hat vielleicht nicht solche Wirkung, wievor einundzwanzig Jahren, und darüber hinaus ist sie ziemlich durchschaubar.
Die gereimten Versen von Žáček sind durchaus vorhersagbar: es sind hier Anspielungen an die „mächtige Vogelpartei“ und an einen Chef mit „sexy Gehirn“ sowie die allgemeine Gesellschaftskritik zu hören, und zwar in ähnlichen Versen „Als ein Pfau brüsten sich alle / und fordern ihre Rechte.“ Sie enthalten doch wirksame satirische Hiebe, welche der Autor – und es ist anzuerkennen – gemäß dem Motto „auf jeden, der es verdient“ regnen lässt.
Der Regisseur Stanislav Moša ist sich den Klippen einer geradlinigen Satire bewusst und deshalb versucht er, eine mehr plastische Schau anzubieten. Das idyllische Anfangsbild des Vogelreichs wurde mittels der hinreißenden Szene des gastierenden Bühnenbildners Christopher Weyers ausgebildet. Die als die Vogelgestalten auftretenden Schauspieler klettern hier auf Bäume, schaukeln sich in Netzen und fliegen unter der üppigen Vegetation. Ein großes Verdienst am Ausklang gehört auch der Choreographie von Aneta Majerová, welche jeden Vogeldarsteller mit charakteristischer, stilisierter Bewegung dotierte: so können wir z.B. Ente, Eule, Paradiesvogel oder Taube erkennen. Die Originalität und Einzigartigkeit der Figuren verschwindet dann absichtlich im zweiten Teil der Inszenierung, nachdem die Häuptlinge die Zügel in ihre Hand nehmen. Die Änderung der Freiheit in die Uniformität wird auch durch die Änderung der Kostüme begleitet. Während sich die Akteure bisher nur in nobeln und originellen Roben von Andrea Kučerová bewegten, ziehen sie nach dem „Umsturz“ nur einheitliche blaue Monturen an.
Der größte schauspielerische Raum gehört dem geschwätzigen Primabrachos in der Darbietung von Martin Havelka, mit dem Petr Gazdík alterniert. Havelka in der Gestalt dieses Intriganten ist zuverlässig, er weiß den Zuschauer in die Handlung einzuziehen und mit ihm zu kommunizieren. Eine dankbare Rolle wurde auch an Zdena Herfortová und Markéta Sedláčková zugeteilt, die in der Rolle der Henne alternieren. Es handelt sich um die Figur einer Zuschauerin, die die Handlung auf der Bühne die ganze Zeit über fast unauffällig aus der ersten Reihe beobachtet, aber am Ende kann es sie nicht mehr aushalten und entfesselt ein affektiertes Monolog zur Verteidigung des weiblichen Geschlechts.
Die neue Version des Vogelspiels nach Aristophanes bewies, dass die politische Satire auf der Bühne noch immer sinnvoll ist. Sie ist zwar durch andere Akzente als vor einigen Jahren gekennzeichnet, aber die Lachenreaktion ist immer notwendig und reinigungsvoll. Höchstwahrscheinlich wird es auch nach der Parlamentswahl im Mai gültig sein, an die einige Anspielungen des älteren Texts von Žáček ziemlich genau zielen.
Die Welt, in der das bessere Morgen schon gestern begann
Lenka Suchá 28. April 2010 zdroj Brněnský deník
Das Musical des Stadttheaters Brno Vogelspiel nach Aristophanes bringt die politische Satire und Volksbelustigung, welche unterhaltet und nicht beleidigt, auf die Bühne zurück
Brno - Die Rückkehr der politischen Kabarettsatire auf die tschechischen Bühnen wurde von der neuesten Premiere des Stadttheaters Brno vermittelt. Der Regisseur Stanislav Moša staubte für die Musikbühne das Stück in Versen von Jiří Žáček - Vogelspiel nach Aristophanes - ab, das er zum ersten Mal schon im Juni 1989 auf der Neuen Szene in Prag einstudierte.
Gerade in der stürmischen „Vorrevolutionssaison“ entstand die bis heute fruchtbare Zusammenarbeit von Moša mit dem Komponisten Zdenek Merta, der damals die Musik zur Inszenierung komponierte. Und zwar angenehm einschmeichelnde und melodische Musik, die jetzt in Brno durch den Klang des achtzehnköpfigen, live spielenden Orchesters noch mehr gewürzt wurde. Zum Beispiel die Vogelinternationale zwingt einen gerade dazu, im Rhythmus zu brummen.
Humor und Übertreibung
Leichter und flinker Charakter der Inszenierung wird schon durch die Ankunft der Protagonisten - Athener Exilanten Primabrachos (= guter Berater) und Doufalion (= gute Hoffnung) - aus der menschlichen Welt bestimmt. Ihr ersehntes Land, wo der Pfeffer wächst und in das sie „vor Menschen, die lügen, Prozesse führen, stehlen und beneiden“ flüchten wollen, beginnen sie auf der Treppe im Zuschauerraum zu suchen. Sie kommen auf die Vorbühne und erst nach einem Augenblick öffnet sich hinter ihnen die Szene von Christopher Weyers, die dank ihrer Beleuchtung bis märchenhaft und traumhaft wirkt. Der deutsche Bühnenbildner teilte den Raum zwischen den Göttern und Menschen durch große Netze; riesige Aufblasrutschbahnen ermöglichen dann effektvolle Ankünfte der Schauspieler auf die Szene.
Die Atmosphäre der humorvollen Übertreibung ändert sich während der Handlung und durch den Aufbau des neuen Gottes-Vogel-Menschenreichs Wolkenkuckucksheim in rücksichtslosen Machtkampf. Dort, wo anfangs Versprechen standen, tritt die Diktatur langsam ein. Dank Žáčeks neuer Umdichtung und Aktualisierung des mehr als zwei tausend alten Texts von Aristophanes nimmt das Stück zu den Auswüchsen der Gegenwart Stellung. Im Text finden wir also Anspielungen an viele Ereignisse, die unsere Gesellschaft erregten oder noch immer erregen – für alle ist mindestens die Causa Kuřim anzuführen.
In dieser politischen Satire halten sich die Autoren von der Brünner kommunalen Sphäre absichtlich fern und zielen direkt auf die höchsten Stellen. Obwohl in der Inszenierung kein einziger konkreter Name der Politiker zu hören ist, sind die Adressaten der Anspielungen einfach zu erkennen.
Zur Erörterung gelangen die ehemaligen sowie derzeitigen Leaders von beiden unseren stärksten Parteien („Sie wird wie eine Wachsfigurine auftauen, wenn sie die Kraft meines Sexy-Gehirns erkennt.“, „Sie kennen keine Angst oder Tadel und haben eine kräftige Vogelpartei.“, „Damit bin ich wirklich, wirklich nicht einverstanden.“). Und Applause auf offener Szene beweisen treffend, dass die auf der Bühne rezitierte politische Satire für die Zuschauer ebenso anziehend wie vor zwanzig Jahren ist. Die Hauptrolle von Primabrachos erlaubt an Petr Gazdík nicht, die Bühne nicht für eine Weile zu verlasen: er tritt entweder als direkter Teilnehmer an der Handlung oder ihrer Beobachter auf.
Die Vogelscharf wird in den Alternierungen durch fast ganzes Musicalensembles dargestellt, dem die Kostümbildnerin Andrea Kučerová nur einfache tierische Attribute mittels Schnäbel, Federbusche, Perücken, Masken und Schminken verlieh. Jeder Schauspieler formte dann „seinen Vogel“ durch seine eigene spezifische Auffassung, die er in der Vogelmummerei durch wiederholte Bewegungen oder Gesichtsticke präsentierte. Die Schauspieler lassen immer wissen, wie viel sie ihre Rollen genießen und was für eine Freude sie ihnen machen.
Wolkenkuckucksheim
In den für die Zuschauer dankbaren Kreationen strahlen auch Faulenzer Zdeněk Junák, Lobbyist Igor Ondříček, Phrasendrescher Jan Apolenář sowie Lockspitzel Jaroslav Matějka; den anspruchvollen Hennenauftritt weißt dann Markéta Sedláčková ausgezeichnet darzustellen.
Das Musicalensemble des Stadttheaters Brno baute schon vor mehreren Jahren einen Turm von Babel auf der Bühne auf und mit seiner Hilfe berührte es den Himmel. Jetzt erschuf er das mächtige Wolkenkuckucksheim und berührte die Gebrechen unserer Gesellschaft. Das Vogelspiel nach Aristophanes von Žáček, Moša und Merta bringt die politische Satire und das Volksspektakel auf die Bühne zurück, die doch auf das Niveau der lasziven Witze nicht senken. Im Gegenteil, sie wissen gewaltlos zu unterhalten und beleidigen nicht. Wenn es noch möglich wäre, den Schluss der Inszenierung auch in die heutigen Verhältnisse zu applizieren und unsere politische Szene manchmal in einen Käfig zu schließen. Dann könnten wir wie Primabrachos unseren Herzen Luft machen: „So, und damit ist es aus.“
Das in Brünn aufgeführte Vogelspiel nach Aristophanes ist ein Panoptikum der Gegenwart
Peter Stoličný 27. April 2010 zdroj www.musical-opereta.cz
Das Vogelspiel nach Aristophanes wurde von Stanislav Moša zum ersten Mal im Jahre 1989 im Prager Nationaltheater in Szene gesetzt. Dort verband sich der Regisseur zum ersten Mal auch mit dem Musikanten Zdenek Merta, mit dem sie dann ihre höchstens erfolgreiche Zusammenarbeit an vielen anderen Musicalwerken starteten. Hier beging er auch Jiří Žáček, Dichter, der vom damaligen Direktor des Nationaltheaters Milan Lukeš zur Zusammenarbeit eingeladen wurde. Und es war eine glückliche Wahl, eine glückliche Zusammenarbeit.
Das Vogelspiel wurde auf unseren Szenen mehrmals, in unterschiedlichsten Textversionen realisiert. Doch erst der spielerische Dichter Jiří Žáček verlieh ihm jenen richtigen satirischen Geschmack, einfach verständliche Sprache, immer voll von witziger Bildhaftigkeit. Žáček stellt ein seltsames tschechisches Phänomen dar. Er wird auch in der Zeit gelesen, die durch absolute Unlust Gedichte zu lesen charakterisiert ist. Und nicht nur als der Autor für Kinder, auch wenn in diesem Bereich seine Werke überwiegen. Er ist Meister von Aphorismen, Epigrammen, witzigen Mitteilungen; kurz gesagt, er ist für die Satire vorherbestimmt.
Als der Regime der „Erbauer des besseren Morgens“ zusammenbrach, Viele waren überzeugt (nicht nur Satinský), dass es uns nichts mehr bleibt, womit man Spaß haben kann. Genauer gesagt – dass es niemand bleibt, mit dem er getrieben sein kann. Weil die Satire immer gegen etwas gerichtet ist und jenes Etwas die Satire ohrfeigt, so dass es noch mehr spaßig ist. Es ist ein Lachen in Tränen. Oder zuerst Lachen und dann Tränen. Jan Werich in seinen Rundfunkgesprächen aus dem Jahre 1978 zitierte Bertold Brecht – „unglücklich soll das Land sein, das keine eigene Narren hat, und noch mehr unglücklich ist jenes, das sie benötigt“. Und es wäre nicht Werich, wenn er in jener Zeit nicht ergänzen würde, dass es in der Tschechoslowakei einen akuten Mangel an Narren gibt... Er wusste es immer so zu sagen, dass die Ideologiewächter unsicher waren und nicht wussten, ob er kritisiert oder lobt. Und auch das war der Zauber des im totalitären Regime lebenden kritischen Humors.
Der Attribut der verboten Kritik verschwand, die Satire doch nicht. Wir lachen mehr frei, wir schauen uns nach dem Publikum nicht um, ob dort jemand sitzt, der alles fleißig aufschreibt und vielleicht sich nicht nur die Texte sondern auch die Menschen, die lachen, aufmerkt. Diese Gefahr besteht nicht mehr. Aber der Nährboden für die Satire ist hier immer, und in der Gegenwart vielleicht noch mehr, als je früher.
Im schönen und übersichtlichen Bulletin der Brünner Inszenierung bekennt Stanislav Moša, dass Merta ihn gleich nach der Samtrevolution zu überreden suchte, das Vogelspiel in Brno aufzuführen, dass er aber zögerte, weil er nicht wusste, ob die zerbrechliche Demokratie solche „Atombombe“ erträgt. Doch heute (hier werde ich ihn gern genau zitieren) „...existieren wir in der Zeit, in der Beschränktheit ohne Phantasie herrscht, Mangel an Toleranz regiert, die sich der Kontrolle entzogenen Theorien gepflegt werden, wir durch leere Rhetorik verdummt werden, die Machtusurpatoren als die Einzigen Patent auf Wahrheit haben und dabei nur das halsstarrige System unterstützen." Ach ja, im Jahre 1990 ahnte sicher nicht einmal Moša, wie scharf wir gegenüber den gegenwärtigen Machtstrukturen gestimmt werden. Der Algorithmus bleibt immer derselbe, gewisse Dimensionen der Geschichte wiederholen sich, und damit rechnete man nach der Samteuphorie nicht. Lieber erteile ich wieder das Wort an den Regisseur Moša: „Die Demokratie ist missbräuchlich, insbesondere in unserer Bananenrepublik, weil niemand uns daran rechtzeitig erinnerte, dass sie vor Demagogen und Mafianern verteidigt sein muss. Und sogar vor ihren Bannerträgern. Auch wenn die Macht nicht korrumpieren würde, weißt sie einen so viel zu verblöden, dass er sich für Genien zu halten beginnt, dem die anderen nicht das Wasser reichen können.“ Auch deswegen findet die Satire ihren Platz auf der Bühne auch in heutiger Zeit. Deshalb ist es gut, über die Gestalten von Aristophanes zu lachen und auch über sich selbst zu lachen. Weil das Lachen reinigend ist.
Widmen wir uns endlich der Inszenierung selbst, die auf der Musikszene des Stadttheaters Brno aufgeführt wird. Es ist das Theater, das spricht, tanzt und singt, darüber hinaus noch in Versen. Nach der Kategorisierung von Doktor Osolsobě könnte es ein Musical sein. Aber solcher Untertitel wurde dem Stück von den Autoren nicht zugeteilt. Es ist das Musiktheater, mit achtzehnköpfigem Orchester, mit ausgezeichneter witziger Musik von Zdenek Merta und mit Tanzszenen; aber es ist vor allem satirische Inszenierung. Inszenierung mit Obenansicht. Es fehlt ihr das Sentiment eines Musicals (Oklahoma), seine Komik (Hello, Dolly) oder Tragik des Ausgangs (West Side Story). Es ist ein Spektakel voll von humorvollen Metaphern und Weisheit, von denen der satirische Jux immer begleitet wird.
Der deutsche Bühnenbildner Christopher Weyers, mit dem Moša schon bei dem Musical Die Elenden zusammenarbeitete, schuf für das Vogelspiel eine wirklich praktische, einfache Szene. Die Choreographie von Aneta Majerová ging aus Mošas Poetik der Menschen - Vögel aus, wozu die Kostüme wirksam halfen. Andrea Kučerová entwarf keine geflügelten Figuren, welche in den Vögeln von Aristophanes gewöhnlich vorkommen. Die Vögel zeichnen sich diesmal vor allem durch brillante Bewegung aus, der das Kostüm genug Freiheit gibt.
Und so kommen wir zur Schauspielkunst. Ich fühlte wirklich, was für eine Freude die Vogelfiguren den Schauspielern machten. Ich sah nur eine Besetzung (viele Figuren werden alterniert), aber die Kreationen von Karel Mišurec (Mistfink), Ján Jackuliak (Geier), Tereza Martinková (Kohlmeise) oder der Henne in der Darbietung von Zdena Herfortová waren einfach ausgezeichnet. Frau Herfortová begann ihre Rolle im Herzinfarkttempo, wodurch sie vielen Zuschauern vielleicht die durch Lachanfälle verursachte Herzinfarktgefahr herbeiführte. Auch andere Bewohner des Vogelreichs waren dank ihrer Bewegung und onomatopöischer Beschallung der Gestalten köstlich: Rabe von Lukáš Vlček, Dodo von Vojtěch Blahuta, Krähe von Jedličková oder Straußvogel von Novotný. Amselweibchen von Kateřina Krejčová und Flamingo von Gabriela Karmazínová… und ich habe ganz sicher jemanden vergessen, ich entschuldige mich. Das ganze Vogelreich war gut. Seelenfroh durch die Bewegung auf der Szene, durch jenen allgegenwärtigen Spaß.
Auch die Gestalten von Menschen oder Göttern waren wunderschön. Primabrachos (= guter Berater) in der Darbietung von Martin Havelka und Doufalion (= gute Hoffnung) in der Darbietung von Tomáš Sagher, das waren Prototype der Menschen, die die Krankheit aus der Macht bekamen. Oder Prometheus von Jan Apolenář, Herakles von Viktor Skála (der auch Inspektor oder Lobbyist war). Alles jenes bunte Kaleidoskop von antiken, etwa 2400 Jahre alten Helden, das war ein Panoptikum von unseren Zeitgenossen, das waren wir. Und darin besteht der größte Wert des Stücks.
In den sozialistischen Einleitungen zu Fernsehinszenierungen sagte man immer, dass das Stück einen krummen Spiegel vorhält, zum Beispiel den bourgeoisen Anachronismen oder der kapitalistischen Verderbtheit. Ich begriff nie, warum einen „krummen“ Spiegel. Warum nicht einen normalen. Weil es so meistens war und ist. Auch heute hält das Vogelspiel nach Aristophanes einen Spiegel vor. Einen normalen, in dem wir uns sehen können. Wir alle. Diejenigen, die die anderen beherrschen wollen, sowie diejenigen, die sich freiwillig und aus Dummheit mit Füßen treten lassen.
Jetzt stehen wir vor den freien Wahlen. Diese Inszenierung des Vogelspiels war ganz sicher nicht als ein Vor-Wahl-Beitrag gemeint. Ihre Satire steht über allen Wahlen und darüber hinaus, der dramaturgische Plan ändert sich meistens nicht so schnell, wie die Wahldaten durch Regierungsstürzung und Entscheidung des Verfassungsgerichts geändert werden. Interessant – das Theater ist eine mehr stabile Institution als der Staat. Aber jener Spiegel wurde uns, den Wählern, durch das Vogelspiel vorgehalten. Werden wir uns wie jene Dummköpfe aus dem Vogelreich benehmen? Haben wir zufälligerweise nicht größere Gehirne als Vögel? Sollten wir nicht endlich beginnen, diese Gehirne zu verwenden?
Auch das ist das Vermächtnis des Vogelspiels nach Aristophanes. Und dafür gehört unser Dank an allen, die daran teilnahmen.
Zu Hause geht es wie in einem Taubenschlag, wir halten Maulaffen feil
Jiří P. Kříž 27. April 2010 zdroj Právo – Südmähren
Möchte das Vogelspiel nach Aristophanes von Jiří Žáček und Zdenek Merta eine eindeutigere Rückkehr dieses hoheitlichen Lyrikers, stacheligen Satirikers, Autors von wunderschönen Kinderbüchern, Nachfolgers der außergewöhnlichen Bildhaftigkeit von Jan Skácel an die Sonnenseite bedeuten, auch wenn immer noch in eine geistlose Landschaft!
Schon vor zwanzig Jahren im Nationaltheater erregte es großes Aufsehen. Im Herbst 1989 wollten die gemauserten Vögel seine Aufführung verbieten und dann wurde es von den ausgefiederten Geiern, Dronten, Kohlmeisen und Hennen für ein Stück erklärt, das die Samtfeder gefährlich zerzaust.
Laute Vögelmottos
Was im Vogelspiel so gefährlich und schnippisch ist, dass es verdient, in Staub einzustampfen zu sein, auch wenn natürlich nur vorsichtig? Fragen Sie die Vögel im Zug nicht, sondern jene im angegangenen Hühnerhaus. Und fürchten Sie nicht, sich auf die Sitzstange des Stadttheaters Brno zu setzen.
Schon die Premiere und die erste Reprise am Sonntag führten das Stück auf, das nicht nur die Erleichterung entdeckte, dass es jemand anstelle uns auch ohne schlechtere Laune zu sagen weiß, sondern auch zerrissene Saiten der Anhänger der blauen, orangefarbigen oder andres verfärbten Vögel. Diese haben wegen dem Schmutz, den die Autoren an unsere blitzsaubere Leader aus Kübel gießen, die Gänsehaut.
Nur dass der Heros Žáček alle um ihn herum in den Strom hinriss. Der zweite Teil, wann es schon klar ist, dass sich im Wolken-Vogelkratzer die Posten verteilen werden, ist ein hinreißendes sarkastisches Bild unserer glücklichen Zeit mit Poseidon Klaus, Herakles Zeman sowie immer geschlagenen slawischen Triglav.
Die Monologen der Henne-Feministin (Zdena Herfortová oder Markéta Sedláčková), der Taube (Michal Isteník), welche registriert, wie die menschliche Welt zu Vögelwelt wird, aber auch andere neue Stückchen von Žáček werden vom unendlichen Applaus der Zuschauer belohnt.
Eine große Innovierung wurde bei der Musik gemacht. Ich erinnere nur, dass das Vogelspiel die erste Zusammenarbeit des Tandems Merta-Moša war. Das Stadttheater Brno hat auch die unerschöpfte Kostümbildnerin Andrea Kučerová und frische Choreographin Aneta Majerová... Ergebnis? Sie können sich auf ein Stück zum Anbeißen hübsch freuen.
Willommen beißende Satire! Salve Barde Žáček, seine Mitarbeiter und Mitautoren! Es erwartet sie die Schicksal der Satiriker von Botič bis zum Fluss Ponávka. Die Menschen werden mitlachen, die Pupe werden sie nicht lieben.
Vogelspiel nach Aristophanes – unterhaltende politische Satire, die wert ist, besucht zu sein
Milan Kajínek 24. April 2010 zdroj Große Epoche
"Wunderschöne buntfarbige Vögel, welche ihr freies Leben in wundervoller Natur leben, verlieren unter der Herrschaft eines machtgiereigen Menschen ihre Freiheit und Einzigartigkeit. "
Es ist verwunderlich, wie treu sich die Geschichte immer wieder wiederholt. Ein Nachweis dieses Phänomen ist das Stück des größten griechischen Komödienautors Aristophanes „Die Vögel“, welches bei Großen Dionysien schon vor 2 424 Jahren in Athen aufgeführt wurde.
Es erzählt die Geschichte von zwei Flüchtlingen aus Athen, Primabrachos (= guter Berater) und Doufalión (= gute Hoffnung), welche mit ihrer Sturmdemagogie das freie Vogelreich beherrschen und die Vögel, die außer ihrer großen Freiheit auch ein geringes Gehirn haben, darüber überzeugen, dass sie ein großes Wolken-Vogelkratzer aufbauen und mit diesem die Erde vom Himmel trennen sollen, um sich die Götter und Menschen zu unterwerfen.
Die moderne Bearbeitung Der Vögel bewährte sich wirklich und sprach den gegenwärtigen Zuschauer auf eine wirklich unterhaltende und treffende Weise an.
Zdenek Merta und Jiří Žáček überraschten mit einer Reihe von ausgezeichneten Texten, die Schauspieler dann mit ihren ausgezeichneten sängerischen Leistungen und Andrea Kučerová mit originellen Vogelkostümen.
In der Geschichte erscheinen nicht nur die Ikonen der heutigen politischen Szene, welche von den Autoren wirklich witzig und geschmackvoll erfasst wurden, sondern auch der Totalitätsgeist und seine absurde Fähigkeit, den Menschen mit trügerischen Illusionen zu beherrschen.
Die Frage, die sich schon am Anfang anbietet, lautet, wie groß der Unterschied zwischen den durch die Revolte des Rebellen aus Athen verführten Vögeln, welcher den Kampf gegen Himmel und Menschen entfesselte, und den Menschen selbst ist, deren blinde Verfolgung der Machtgier und ihrer eigenen Größe ein schicksalhafter Schritt in die Schlucht für sie darstellt.
Vogelspiel nach Aristophanes ist gleichzeitig eine vollkommene Studie der totalitären Regierungen, welche die Elemente des Faschismus und Nazismus sowie Kommunismus und Maoismus enthält.
In der witzigen Entwicklung der Ereignisse auf der Bühne werden die wunderschönen bunten Vögel, die ihr freies Leben in einer wunderschönen Natur leben, unter der Regierung eines machtlustigen Menschen zu Sklaven ihrer eignen Beschränktheit. Unwissentlich verlieren sie ihre Einzigartigkeit und immer mehr verlieren sie sich in der uniformen Welt, aus der die Freiheit und Schönheit verschwinden und stattdessen nur falsche Ideale bleiben.
Unter den langweiligen Uniformen der Vögel ragen die bunten Federn hervor, welche an ihre verlorene Natürlichkeit und Einzigartigkeit erinnern.
Wenn ich die ganze Inszenierung in einen einzigen Satz zusammenfassen sollte, würde ich schreiben, dass es sich um ein sehr positives Stück handelt, das den Zuschauer nicht nur erfreuen und belehren wird, aber ihn auch lehren wird, die Sachen, wegen denen er beim Lesen der Zeitungen in verbitterte Aufregung geriet, mit Lächeln und aus Obenansicht zu sehen.
Vogelspiel nach Aristophanes ist eindeutig dessen wert, besucht zu sein. Sie werden sich sicher amüsieren und aufrichtig lachen.
Den Autoren nach, intelligente, witzige, einfallsreiche politische Sturmsatire ist nie genug. Wie sagt der Regisseur der Inszenierung Stanislav Moša: „Es kam wieder die Zeit, in der geschickte Pfiffikusse unterschiedlichsten Typs, Spieler der großen Politik, mit uns ein ähnliches Spiel spielen, wie die Protagonisten dieses Stücks (...) es ist wieder nötig zu beginnen, sich zu den gemeinen Sachen mittels des Theaters, mittels gutes politisches sowie satirisches Theaters auszudrücken.