Mit der Bibel aus Brünn nach Wien
Josef Herman 9. Dezember 2008 zdroj Theaterzeitung
Es war ein seltsames Gefühl, nach Mekka des europäischen kontinentalen Musicals - Wien zu fahren, um die Premiere der ursprünglichen Brünner Inszenierung Joseph and The Amazing Technicolor Dream Coat von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber in der Regie von Stanislav Moša zu sehen. Darüber hinaus in den modernen Unterhaltungskomplex Wiener Stadthalle in der Nähe des Westbahnhofs, in den tausende Menschen jeden Tag strömen um sich zu amüsieren - bei Eisrevue, Konzerten und Programmen für Kinder oder Seniore, oder in Kinos und Theatern. Der angenehme, dunkelrote Innenraum des Theatersaals sieht nicht aus, dass er zwei tausend Zuschauer aufnehmen kann - bei der Premiere am 1. Oktober blieben nicht zu viele Sitze frei. Im anliegenden geräumigen Foyer war neben dem Deutsch auch das Tschechisch zu hören, weil viele Besucher aus der tschechischen und insbesondere aus der Brünner Theaterbranche kamen, um an diesem Ruhm teilzunehmen. Einige nur für kurze Zeit; kaum dass sie sich mit den zufriedenen Akteuren und Produzenten nach der erfolgreichen Premiere anstießen, beeilten sie sich nach Brünn, weil sie morgen früh Prüfungen an die nicht weniger bekannte Evita desselben Autorenduos hatten, deren Premiere kurz danach in Deutschland stattfand. Es gibt im Tschechien kein anderes Theater mit so umfangreichen Künstler- und Produzentenaktivitäten im ganz Europa; übrigens mit der Einstudierung von Joseph reiste es schon vor drei Jahren halbhundert europäische Städte und Städtchen und mit seiner Wiener Premiere wurde nur der Erfolg der Brünner Produktion gekrönt.
Ich erinnere mich nicht, dass dieses Musical nach biblischem Thema jemals in Wien gespielt wurde. Das Interesse der Zuschauer wurde auch dadurch geweckt, dass hier zwei Wiener Starts der Popmusik auftraten: in der Titelgestalt Markus Neugebauer und in der Rolle der Erzählerin Elisabeth Sikora, die mit dem Regisseur Moša schon bei der deutschen Version Des Kabaretts zusammenarbeitete. Im Unterschied zu Brünner Aufführung war diese Produktion mit einem großen Kinderchor ergänzt, der an den Rändern der Bühne auf den gehörig farbigen Kissen setzte und zusah, wie sich die Wiener, mit vier Brünner Schauspieler gestärkt, mit dem Musical auseinandersetzten. Aus dem Stadttheater Brno stammte auch das elfköpfige Orchester unter der Leitung von Karel Cón. Die Wiener Besetzung wurde bei den Wettbewerben aus 250 Schauspielern und Tänzern und sogar aus sechs Hunderten Kindern ausgewählt! Der Applaus war aufrichtig und mächtig. Auch mit den Vorpremieren wurde diese Produktion im Block seit dem 19. Oktober siebzehn Mal wiederaufgeführt, dann kam Prokofjevs Ballett Romeo und Julia an die Reihe, dann folgte das Musical Evita und so weiter. Das nur um sich das dortige Repertoire vorstellen zu können. Und noch des Interesses halber: Eintrittsgeld von 28 bis 62 Euro.
Es geschah vielleicht zum ersten Mal, dass die Wiener einen tschechischen Regisseur und sein Team baten, eine Theaterinszenierung in Wien einzustudieren.
Musical mit Brünner Punze
Luboš Mareček 3. Oktober 2008 zdroj MF Dnes
Wien erobert
Das Stadttheater Brno und vor allem sein Direktor Stanislav Moša erweiterte mitten in dieser Woche die imaginäre Mappe der eroberten Gebiete. Und es war kein erster bester Gewinn. Geografisch nahes, aber für viele inländische Künstler sehr entferntes und unerreichbares Wien wurde am Mittwoch erobert.
Moša stellte in der Stadt des Walzers in seiner Regie das Werk von zwei berühmten britischen Autoren Tim Rice und Andrew Lloyd Webber Joseph and The Amazing Technicolor Dreamcoat vor. Und die Brünner Farben wurden in dieser Koproduktion, die gerade auf die Reise durch Österreich, Schweiz und Deutschland ging, nicht nur vom Theaterprinzipal selbst verteidigt. Auf der Bühne toben vier Schauspieler und Tänzer aus Brno, "von uns" ist auch der elfköpfige Band von Karel Cón und die tschechischen Namen sind im ganzen Inszenierungsteam zu finden.
Es ist recht und billig zu erinnern, dass dieser Titel wurde von Moša schon vor drei Jahren bei der Megareise durch fünfundfünfzig Städte des Westeuropas geprüft. Es ist auch wichtig, nicht zu vergessen, dass er diese Spielerei der berühmtesten Musicalautoren der Welt dann in der tschechischen Prämiere nach Brno brachte.
Die Kunst ist natürlich kein Sportwettkampf oder Wettbewerb. Aber alle Primate tragen auch in der Theaterwelt die Punze von wirklichen Sigen. Und der imaginäre Sieg war auch die Wiener Prämiere in der dortigen Stadthalle, die am Mittwoch stattfand. Und ich denke nicht nur an die verdienstvolle Verbreitung des guten Namens von Brno und des Kunsthandwerks.
Der in die rote Farbe gestimmte Kessel der Wiener Stadthalle für unglaubliche zwei tausend Menschen war am Mittwoch zwar nicht zum Rand gefüllt, die stürmisch und im Stehen applaudierte Masse konnte doch die Vorstellung sehen, die sich durch schauspielerische sowie sängerische Souveränität, musikalische Bravour, außerordentlich einfallsreiche Choreographie und vor allem geschlossene übersichtliche Regie auszeichnete. Als die Hauptkulisse der Inszenierung nutzte Moša eine riesige Bibel aus, aus der die witzige Geschichte des Alten Testaments scheint zu kriechen und die wie eine monströse Leinwand für die spielerischen Aufnahmen sowie für den von Webber vorgeschriebenen Kinderchor dient. Vierzig Knirpse wurden vom Regisseur oben auf die Seiten der Bühne gesetzt. Diese kleinen Zuschauer beobachten die Geschichte zusammen mit dem Publikum. Sie stellen Seitenbänden der Handlung auf der unendlich langen Wiener Bühne dar. In der einfachen Ausstattung bekommen alle genug Raum um zeigen zu können, was sie wissen. Und die heimischen Stars Markus Neugebauer und Elisabeth Sikora in der Hauptrollen strahlten wirklich.
Die Autoren aus dem Stadttheater, mit Moša an der Spitze, arbeiteten schon in ganz Europa. Als sie vor achtzehn Jahren zum ersten Mal nach Deutschland zogen, ahnte vielleicht niemand, dass sie die europäischen Grenzen viel früher auflösen, als es die Union machte.
Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat floh bis zur Moldau
Jiří P. Kříž 20. Februar 2007 zdroj Právo
Das Musicalerstlingswerk von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber wird die Familien mit Kindern erfreuen. Von jetzt ab bis zum Sonntag können sie in Goja Music Hall eine wirkliche Musicaldelikatesse besuchen. Das einsmalige Studentenerstlingswerk des heute berühmtesten Autorentandems – Tim Rice und Andrew Lloyd Webber – Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat.
Die Zusammenarbeit von Goja und Stadtthaeater Brno, die vor einem Monat das Gipfelwerk von Rice und Lloyd Webber – Jesus Christ Superstar – zur Moldau brachte. Jetzt kehren wir ins Jahr 1968, wann die beiden Jungen die Inspiration im siebenunddreißigsten Kapitel des Alten Testaments über Jacobs Sohn Joseph fanden. Sie komponierten die damals eine Viertelstunde dauernde Rock-and-Roll-Skizze des zukünftigen Musicals.
Wie es zur Welt kam
Bei den Zuschauern blieb Joseph ohne Erfolg, aber Lloyd Webber verbiss sich ins Thema wie eine englische Bulldogge. Zusammen mit Rice gaben sie Safran, Thymian, sogar Yzop und Chilli der neuen Songs zu. Dei Reihe der Musicals erweiterte sich. Es kamen die ersten positiven Reaktionen, später auch ein Sponsor – aus diesem Grund trägt das Werk noch heute den Namen Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat.
Die noch nicht definitive Version endete im Jahre 1973 auf West End, um drei Jahre später schon in Brooklyn in New York. Am Anfang der achtziger Jahre eroberte Joseph Broadway. Schon von der Kritik gelobt, wurde er 747-mal wiederaufgeführt. Noch um weitere zehn Jahre später kam der definitive Erfolg, wann die Titelgestalt vom legendären Donovan dargestellt wurde. In dieser Zeit waren schon auch ihre anderen gemeinsamen Werke welterfolgreich – Jesus, Evita und Cats von Lloyd Webber, Das Phantom der Oper, Sunset Boulevard und noch mehrere andere...
Der aufmerksame Zuschauer bemerkt sicher die Musikankläge von Superstar, aber auch andere. Der Dekadentsketch des Pharaos (Stano Slovák nebo Petr Gazdík) ala Rock-and-Roll von Elvis ist doch nichts anders als aristokratische Ironie des Hofs von Herodes (aus Jesus) oder von Peron (jenen argentinischen aus Evita).
Gott sei dank, im Tschechien kam zur Inszenierung Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat zufällig Michael Prostějovský. Er hat auch die Umdichtung von Jesus und Cats auf dem Gewissen. Evita übersetzte er nur für die Filmversion. Nach dem Konflikt mit Petr Novotný gab der Regisseur die Librettos an einem billigeren Arbeiter auf und die tschechische Version des Musicals sah demgemäß aus.
Joseph von Prostějovský hat die Qualität seiner vorigen Arbeiten: Dichtungskraft, Sinn für Gleichwertigkeit der Phrasen, die nicht knechtische technizistische sondern planmäßig lexikale gegenwärtige Sprache.
Wenn die Profis spielen
Ja. Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat ist ein Kitsch. Doch schon Rice und Lloyd Webber selbst schrieben das Musical wie eine schöne, ausgelassene und scherzhafte Geschichte voll von Humor, einschmeichelnden Songs und Zeittänzen, von Rockcancan bis zu Rumba oder Tango. Ja, „Kitsch“! Doch schauspielerisch, musikalisch (Karel Cón) und choreographisch (wieder bravouröser Igor Barberić aus Kroatien) perfekt. Dass es ihnen leicht zu sein scheint? Das ist deswegen, dass in Brno unsere besten Musicalprofis spielen, singen und tanzen. Ihre Kunst ist doch von schrecklicher Akustik der Goja Music Hall gebremst... Es war schon bei Jesus zu sehen.
An Moša gelang es, auch die Produzenten zu ändern. Diese bestanden streng auf einem Chor mit vierzig Kindern. "Die Kinder tuten mir bei der Londoner Version leid. Abends schliefen sie auf der Bühne ein. Als es dem Chormeister gelang, sie aufzuwecken, kein von diesen sah glücklich aus, wie es vorgeschrieben wurde...“ Das Brünner Chor Kantiléna stellt Stanislav Moša auf einer Filmaufnahme vor und die Kinder singen direkt aus der Bibel, die sich auf der Szene wie eine Projektionsleinwand öffnet (sehr gute Szene von Ondřej Zicha). Es wurde schon bei dem Erfolg Mošas deutschen Einstudierung in Hannover und bei ihrer Europareise gut angenommen.
Dušan Vitázek, Jakub Uličník (dieser merklich weniger ausdrücklich) als Joseph, Markéta Sedláčková oder Radka Coufalová-Vidlák (Erzählerinnen), Zdeněk Junák oder Jiří Horký (Jakob und Putifar), alle bis zu den Brünner Tänzerinnen mit der dominanten Aneta Majerová (bei Tango war sie souverän, in anderen Nummer wunderschön) - es ist Freude, dabei sein zu können. Fürchten sie sich nicht, in die Goja Music Hall die Kinder zu führen. Joseph ist ein schönes Märchen. Ich glaube sogar, dass hauptsächlich für sie.
Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat ist erstaunlich
Josef Herman 12. Dezember 2006 zdroj Theaterzeitung
Der Titel des ersten aufgeführten Werks von Andrew Lloyd Webber und Time Rice Joseph And The Amazing Technicolor Dreamcoat wurde im Stadttheater Brno wie Joseph und sein erstaunlicher buntfarbiger Mantel übersetzt. Seine Aufführung ist eine andere, wirklich wichtige tschechische Prämiere, mit denen wir noch immer die wesentlichen Kontexte des Weltmusicals aufholen. Wie bei der Brünner Einstudierung des legendären Jesus Christ Superstar, absolvierte die Inszenierung schon 128 Wiederaufführungen im Englischen und Deutschen bei ihrer europäischen Rundreise. Dort mit der Teilnahme der Schauspieler aus Broadway, hier musste das Musical mit den heimischen Schauspielern wieder einstudiert sein.
Der ursprünglich nur zwanzig Minuten dauernde Semesterabschluss in einer Londoner Schule (1968), dann auf ein ganzen Abend dauerndes Musical erweitert, dessen Uraufführung in London (1972) stattfand, nimmt mit der biblischen Geschichte den legendären Jesus voraus, welche mit einer Reihe von effektvollen Musiknummern erzählt wird. Einschließlich des direkten Vorgängers der berühmten Groteskszene von Herodes, hier Pharaos, den Petr Gazdík ein bisschen unterschätzte, was das Gesang betrifft. Er ernte doch einen großen Applaus. Übrigens, es ernten ihn alle und mit voller Recht, schon wegen präziser Artikulation der sprachlich reichen Übersetzung von Michael Prostějovský. Witzige Texte, melodische und rhythmische Lieder, geradlinig erzählte Ereignisse, das alles erforderte eine entsprechende Bühnenform. Der Regisseur Stanislav Moša zusammen mit dem Choreographen Igor Barberić komplizierten ganz richtig nichts, auf der sympathisch leeren, mit Witz geschmückten Szene ließen sie die Gestalten, welche an die geschnitzte Weihnachtskrippe erinnern, problemlos Ulk treiben und spielen. Zur Schau stellten sie das mit großer Meisterschaft bewältigte Musicalgewerbe, das von sich selbst die Punze der hohen Qualität ist. Nichts versteckt sich hinter etwas und gibt sich für etwas anders aus, das ist die Hauptdevise dieser Inszenierung. Aus der Dreifachbesetzung habe ich in der Titelrolle Dušan Vitázek gesehen, der mit seiner Aussicht und Bewegung ein ausgezeichneter Joseph ist. Nur die Intonation kann er noch mehr präzis machen.
Wie den Vater Jacob habe ich den Komödienschauspieler Jiří Horký gesehen. Der Trumpf der Einstudierung waren dann die gut gesungenen Ensembles, eigentlich eine spezifische Company, deren Grundlage zwölf Josephs Brüder darstellen.
So etwas kann man in Europa exportieren, ohne zu erröten.
Titel, die sie gut unterhalten werden
Peter Stoličný 11. Dezember 2006 zdroj www.divadlo.sk
Zwei Uraufführungen im Stadttheater Brno
Die wirtschaftlichen Bedingungen eines nur teilweise von der Stadt dotierten Theaters sind nicht einfach. Das Theater kann den Weg der Erhöhung der Zahl der Wiederaufführungen von einzelnen Inszenierungen beschreiten, was den Betrieb billiger macht, aber gleichzeitig die Gefahr ausbildet, dass der Zuschauerraum nicht immer ausverkauft wird. Es kann aber auch einen anderen, mehr mutigen Weg beschreiten, immer neue und neue Inszenierungen vorbereiten, und so sich den immer ausverkauften Zuschauerraum sichern (sicher, wenn die Inszenierungen gut werden) und stets mit dem Budget kämpfen. Es ist interessant, dass im Stadttheater Brno der zweite Weg ausgewählt wurde, auch wenn hier in den vergangenen Jahren die Zuschauer sicher nicht fehlten. Ich erinnere mich nicht, dass es auf dem Plakat vor der Kasse bei einem von den Titeln der Schild AUSVERKAUFT manchmal fehlte. Warum produzieren sie also eine Vorstellung nach der anderen, wenn sie zurzeit im lebendigen Repertoire auf zwei Bühnen vierzig Titel haben? Es geht wirklich um ungewöhnliche und schockierende Nummer. Es sind wirklich lebendige, während der Saison realisierte Titel. Es kann dafür nur ein einziger Grund sein - es macht ihnen Spaß! Es macht ihnen Spaß, gutes Theater zu machen. Am Ende Oktober waren wir Zeugen von zwei Uraufführungen. Auf der Schauspielszene wurde Goldoni aufgeführt, auf der Musikszene das erste Musical von Lloyd Webber. Beide Inszenierungen waren lustig, mit reicher und bunter Ausstattung, zu beiden Inszenierungen kann man den Attribut: "Kasse Stück" beifügen. Aber immer schön der Reihe nach.
Carlo Goldoni (1707–1793) ist für das Theater immer ein denkbarer Autor. Dieser Stürmer und Neuerer der italienischen Dramatik wurde 33 Jahre nach Molieres Tod geboren. Er war Zeitgenosse von Voltaire und Rousseau, des Romantikers Carlo Gozzi und Enzyklopädist Diderot. Aber in dieser Zeit wurden auch viele Entdeckungen realisiert: Carl Schlee entdeckte Sauerstoff, James Watt Dampfmaschine und Montgolfieri fliegt mit einem Luftballon auf. Die Spanier kämpfen mit den Briten, die Russen mit der Türkei, kleine Kriege münden in einen sieben Jahre dauernden Krieg, bis endlich in Paris fällt Bastille und Napoleon besitzt einen Teil von Italien. Und in diesem politischen und militärischen Aufruhr des achtzehnten Jahrhunderts reformiert der Bühnenschaffende Goldoni, von ursprünglicher Profession Rechtsanwalt, die volkstümliche Commedia dell´arte und bringt die italienische Komödie aus der Straße auf die Barockbühnen der Stadtbuden sowie Palästen. Seine disziplinierten Stücke, in denen er die Improvisation mit genauen, aus dem Leben genommenen Dialogen ersetze, wurden zuerst mit Zurückhaltung angenommen. Eigentlich für das ganze Leben des Autors ist das Wechseln von großen Zuschauererfolgen mit Unverständnis charakterisiert. So wurde auch die Komödie Le baruffe Chiozzote (Streitigkeiten in Chiozza), wie dieses Werk ursprünglich bezeichnet wurde, angenommen. Es geht eigentlich um übliche Streitigkeiten, die wegen Kleinigkeitskrämerei (jemand kauft für jemanden gebackene Kürbisse und es ist Eifersucht daraus) entstehen und wegen deren die Familien der einfachen Fischer auch in große Streitigkeiten kommen.
Verhältnisgleich zu der Kleinlichkeit der Konflikte steigen ihre Komik und ihre Gültigkeit während Jahrhunderte auf. Goldoni ist immer aktuell, wir lachen gern zusammen mit ihm über die Dummheit der anderen, weil wir die Zeuge von solchen Sachen jeden Tag sind. Der Regisseur Zdeněk Černín leugnet seine ursprüngliche Profession des Schauspielers in sich nicht. Die Brünner "Viel Lärm in Chiozza" ist ein hoheitliches Schauspieltheater, das mit italienischer Heißblütigkeit und schauspielerischen Bravour eingefüllt ist. Schnelles Tempo, Schlägereien auf der Bühne, oft mit Clownzügen, anschneidend spontane aber genau gemessene Reaktionen auf witzigen Dialogen. Das alles bildet wunderschöne hundertzehn Minuten ohne Pause aus, bei denen die wiederholten Angriffe an Zwerchfelle der Zuschauer einen unvorbereiteten Körper beinahe ganz erschöpfen. In der heutigen Welt treffen wir nämlich so ständiges Lachen nicht zu oft. Auf der Bühne des Stadttheaters Brno doch. Auf der abwechslungsreichen Szene, mit Kostümen von Jan Dušek und mit der Musik von David Rotter sind wir Zeugen solcher schauspielerischen Leistungen, die durch einen markanten Zug charakterisiert sind: den Schauspielern spielt man gut, sie haben an ihren Rollen Freude und sie wissen es übergeben. Es ist schwer zu sagen, wer der Beste ist. Patron von Zdeněk Junák, Beppo von Martin Havelka oder Fischer Fortunato von Erik Pardus? Dieser schaffte mittels Sprachfehler und Ausbleiben von Konsonanten wunderschön unverständliche Repliken und Verstümmelungen der Wörter.
Unterhaltung, nichts anders, nur Unterhaltung. Etwa so kann man diese Vorstellung bezeichnen. Vielleicht nur ein Wort ist dazu zu fügen: sehr gute Unterhaltung...
Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat (im Tschechischen Joseph und sein erstaunlicher buntfarbiger Mantel)
Gleich am Anfang ist ein kleines Missverständnis zu erwähnen. Der ursprüngliche Titel lautet Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat. "Dreamcoat" ist also nicht erstaunlicher, sondern traumhafter, erträumter Mantel. Und "technicolor" ist nicht buntfarbig. 1917 erfand Herbert T. Kalmus einen neuen Prozess der Produktion des Farbfilms und bezeichnete ihn Technicolor. Diese Technologie lebte sich wie der Termin für den Farbfilm ein. Wenn der Librettist Tom Rice das Wort "buntfarbig" verwenden wollte, würde er "Colourful" schreiben. Technicolor ist doch die Metapher, die die Pompöse, Äußerlichkeit, Kitschigkeit der amerikanischen Unterhaltungsindustrie andeuten soll. Glücklicherweise fasste der Regisseur Moša den Joseph auf der Brünner Musikszene gerade auf diese Weise. Wie einen prächtigen, wunderschönen Kitsch. Mit alles was dazu gehört.
Technicolorfarben, helle Hintergründe, auf den der Kinderchor projiziert wird, Animationen von Wüsten, Blüten, Palmen sowie Gräser. Expressive Schauspielkunst und wunderschön rein gesungene Arien und Chors, musikalische Tanzkunst, die dem Protagonisten des Stadttheaters Brno schon seit langer Zeit ein jeder beneiden kann. Das Libretto des ständigen Webbers Mitarbeiters Tim Rice wurde vom Michael Prostějovský nachgedichtet, der an jenes ursprüngliches konsequent hielt. Das erinnere ich deswegen, dass die Dramaturgie (jene in Brno wurde von der erfahrenen Pavlína Hoggard gemacht) meistens nach kleineren oder größeren Bearbeitungen des Originals greift. Die Rices Texte sind nicht besonders genial. Der Autor baut die Geschichte wie ein Leporello aus, es liegt ihm wenig an wirklichen Realien (Che Guevara im Musical Evita - das war der Gipfel der Verdrehung der Geschichte). er ist der Autor von unsinnigen Vorsätzlichkeiten und nicht dramatischen Einschüben. Wenn der geniale Webber nicht wäre, würde er nie auf dem Piedestal des musikalisch-dramatischen Ruhmes stehen. Die Musiknummer des ersten, ursprünglich studentischen Musicals Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat trägen die Züge eines indisziplinierten, bis rezessiven Zutritts. Von Benjamin Calypso bis zum Rock and Roll des Pharaos - das alles ist eine freche, jugendliche Brekzie.
Was also macht aus diesem Musikwerk ein erfolgreiches Musical? Es ist sicher die Musik und die Gesang- und Tanzanforderungen, die nur von den Vorbereiteten bewältigt werden können. Das Orchester in Brno wurde von Karel Cón a Igor Rusinko (diesen habe ich gesehen) dirigiert und es ist zu sagen, dass es auch bei ziemlich kleiner Instrumentalbesetzung eine bravouröse Interpretation war. Die Sänger aus Brno haben auch außergewöhnliche Bewegungsdispositionen, im Gegenteil die Tänzer singen, es sind einfach komplexe Musicalpersönlichkeiten. Auf der Vorstellung, die ich gesehen habe, strahlte über allen Stano Slovák (aus der schauspielerischen Familie der slowakischen Slovákovi) in der Rolle des Pharaos. Zum fehlerlosen Gesang fügte er noch komische Manieren eines Rockstars, wofür er sich einen langen Applaus der Zuschauer verdiente. Seine Partnerin Markétka Sedláčková in der Gestalt der Erzählerin bezauberte mit der Reinheit der Stimme, aber auf diese Weise könnte ich fortsetzen und alle Interpreten nennen. Was also macht aus der Brünner Inszenierung des "Josephs" eine so gute Inszenierung? Realisierung. Von der Szene von Ondřej Zicha und von den Kostümen von Andrea Kučerová, über die Filmanimationen von Černáková und Záhorová bis zur einfallsreichen Choreographie von Igor Barberič. Von der Regie von Stanislav Moša bis zu den Schauspiel-, Gesang- und Bewegungsleistungen von allen.
Es ist gelungen, einen wunderschönen Musicalkitsch zu schaffen. Einen wirklichen Technicolor. Aber so war es ursprünglich auch gedacht. Und Kitsch, das ist keine Beschimpfung. Wenn sich die orangenfarbige Sonne über den ägyptischen Pyramiden neigt und im Vordergrund die Blätter der geneigten Palmen golden glänzen, ist es auch ein Kitsch. Aber wunderschön. Und so ist auch das Musical im Stadttheater Brno. Und das ist gut.
Brno hat einen Musicalhit
ib 30. November 2006 zdroj Květy
Gott weiß warum das Erstlingswerk des Star-Autorentandems Tim Rice und Andrew Lloyd Webber (Evita, Jesus Christ Superstar, Cats) bei und so lange vergessen war. Die Uraufführung des Musicals Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat fand erst jetzt statt!
Es lohnt sich doch, es zu sehen. Ursprünglich studierte der Regisseur Stanislav Moša das Musical in der Koproduktionsversion für die europäische Rundreise ein, die in Deutschland und Luxemburg schon mehr als 160 Wiederaufführungen hatte! Es geht also um eine reife und „gesetzte“ Vorstellung. Jetzt wird sie auf der schönen neuen Szene des heimischen Stadttheaters Brno aufgeführt.
Die alttestamentliche Geschichte über Joseph, der von seinen Brüdern in Sklaverei verkauft wurde um endlich der Verwalter von Ägypten zu werden, trennten die Autoren vom kaleidoskopischen Gemisch der Musikstile und dekorierten es mit spiellustiger Übertreibung. Auf der Bühne tanzen also der Pharao-Elvis, wellenförmig bewegen sich die Kleopatren wellen und Josephs Brüder singen perfekte Countrymusic.
Live spielendes Orchester, ausgezeichnete Übersetzung der Texte (Michael Prostějovský) sowie einfallsreiche Choreographie (Igor Barberić) bereiteten an Stanislav Moša die Bedingungen für eine wirklich außerordentliche Show vor: Brünner Joseph strotzt von Frische und Spielsfreude!
Stadttheater Brno: Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat
Jan Němec 2. November 2006 zdroj Instinkt
Noch bevor der Texter Tom Rice die Wörter in den Mund des Superstars Jesus Christ einlegte, trainierte er auf einer anderen biblischen Gestalt. Schon während seiner Studien schrieb er nämlich mit A.L.Webber ein Musical über Joseph, einem der Jacobs Söhne, der von seinen Brüdern in Ägypten verkauft wurde.
Die tschechische Uraufführung fand auf der neuen Szene des Stadttheaters Brno statt, das die Musicals produziert, wie es im Buche steht. In diesem Fall im Alten Testament, doch radikal ausgelegt: die Sphinx singt, Kleopatra ist so sexy, dass ein Brand ausbrechen könnte, und der Pharao selbst erinnert irgendwie verdächtig an Elvis Presley (seine Lendenverhüllung bleibt nicht einmal für eine Weile in Ruhe). Der Regieschlüssel von Stanislav Moša ist immer universal: The show must go on. Und gewöhnlicherweise gelingt das; übrigens, das Uraufführungspublikum applaudiert gern stehend. Das ist vor allem dank der Musik. Ab und zu sind einige bekannte Takte zu hören, die Szenen sind ähnlich wie in Jesus Christ Superstar gelöst, die Geschichte ist noch mehr geradlinig. Also, falls sie Jesus gesehen haben und er ist Ihnen gefallen, haben wir eine ausgezeichnete Nachricht für Sie: es wurde der erste Teil gefunden, laufen Sie nach Brno.
Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat floh bis zum Fluss Svitava
Jiří P. Kříž 19. Oktober 2006 zdroj Právo
Das Musicalerstlingswerk von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber wird die Familien mit Kindern freuen
Gott sei dank, im Tschechien kam zur Inszenierung Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat zufällig Michael Prostějovský. Er hat auch die Umdichtung von Jesus und Cats auf dem Gewissen. Evita übersetzte er nur für die Filmversion. Nach dem Konflikt mit Petr Novotný gab der Regisseur die Librettos an einem billigeren Arbeiter auf und die tschechische Version des Musicals sah demgemäß aus.
Joseph von Prostějovský hat die Qualität seiner vorigen Arbeiten: Dichtungskraft, Sinn für Gleichwertigkeit der Phrasen, die nicht knechtische technizistische sondern planmäßig lexikale gegenwärtige Sprache.
Wenn die Profis spielen
Ja. Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat ist ein Kitsch. Nicht aber in der Auslegung des Alten Testaments oder in der Regie von Stanislav Moša. Doch schon die Autoren selbst schrieben das Musical wie eine schöne, ausgelassene und scherzhafte Geschichte voll von Humor, einschmeichelnden Songs und Zeittänzen, von Rockcancan bis zu Rumba oder Tango. Es ist ein Kitsch, der schauspielerisch, musikalisch (Karel Cón) und choreographisch (wieder bravouröser Igor Barberić aus Kroatien) erschöpfend ist. Dass es ihnen leicht zu sein scheint? Das ist deswegen, dass in Brno unsere besten Musicalprofis spielen, singen und tanzen.
An Moša gelang es, auch die Produzenten zu ändern. Diese bestanden streng auf einem Chor mit vierzig Kindern. "Die Kinder tuten mir bei der Londoner Version leid. Abends schliefen sie auf der Bühne ein. Als es dem Chormeister gelang, sie aufzuwecken, kein von diesen sah glücklich aus, wie es vorgeschrieben wurde... Das Brünner Chor Kantiléna stellt Stanislav Moša auf einer Filmaufnahme vor und die Kinder singen direkt aus der Bibel, die sich auf der Szene wie eine Projektionsleinwand öffnet (sehr gute Szene von Ondřej Zicha). Es wurde schon bei dem Erfolg der Mošas deutschen Einstudierung gut angenommen, sogar von der Agentur, die die Rechte vertritt (ich war in Saarbrücken dabei). Dušan Vitázek, Jakub Uličník (dieser merklich weniger ausdrücklich) als Joseph, Markéta Sedláčková oder Radka Coufalová-Vidlák (Erzählerinnen), Zdeněk Junák oder Jiří Horký (Jakob und Putifar), alle bis zu den Brünner Tänzerinnen mit der dominanten Aneta Majerová (bei Tango war sie souverän, in anderen Nummer wunderschön) - es ist Freude, dabei sein zu können. Fürchten sie sich nicht, in die Musikszene die Kinder zu führen. Joseph ist ein schönes Märchen. Ich glaube sogar, dass hauptsächlich für sie.
Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat
14. Oktober 2006 zdroj Nachrichten aus dem Bereich des Musiktheaters
Für die Musikszene des Stadttheaters Brno habe ich eine Schwäche. Dieselbe Schwäche habe ich auch für die Musicals von Andrew Lloyd Webber (mit jedem beliebigen Librettist). Kein Wunder dass ich vor weniger als einem Jahr von der neuen Inszenierung Jesus Christ Superstar ganz begeistert war, die mir viel mehr gefällt als jene legendäre und mega-erfolgreiche Inszenierung aus Prag, die ich im Theater Spirála wie ein kleines Kind sah. Kurz werde ich hier meine Gründe anführen: in Brno gibt es KEINEN auf Maximum geschrienen Klang wie in Spirála, der meine mehr Jahre dauernde Alpträume und meine vorübergehende Aversion, ein anderes Musical zu besuchen, verursachte. Trotzdem ist der Klang sehr hochwertig (ich würde Hi-Fi sagen) und die Musikeinstudierung ist durchaus perfekt. Und das Gesamtgefühl aus Brno ist, dass "es auf diese Weise gespielt sein soll"… in minimalistischen funktionellen Kulissen, mit wenigen Effekten und wenn doch, dann auf geeigneter Stelle.
Gemeinsam mit der Uraufführung von Jesus Christ Superstar wurde es mitgeteilt, dass das Erstlingswerk von Webber und Time Rice Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat über ein Jahr in Brno kommt, und zwar wie die tschechische Uraufführung, und ich begann, mich an diese Inszenierung mehr freuen als auf jede andere. Als es klar war, dass Joseph, den ich aus mehreren Fernsehaufführungen ziemlich vertraut kannte und dieses Werk wegen den zwar spielenden aber ziemlich schwierigen Rhythmen für fast nicht übersetzbar gelaten hatte, von dem "beinahe Hofübersetzer" der Webbers Werke Michael Prostějovský getextet wird, habe ich nicht mehr gezögert und ich habe mir gesagt, dass ich dabei sein muss!
Und so verging ein Jahr und ich sitze nach weniger als elf Monaten wieder in der Musikszene und erwarte den Anfang der öffentlichen Freitagsgeneralprobe, oder, im Grunde genommen, der ersten offiziellen Vorstellung von Joseph, der Musicalversion der bekannten biblischen Geschichte. Nach einer Weile sind die ersten Töne des Gemisches von Melodien zu hören (ich weiß nicht, ob es ein offizielles Vorspiel ist, weil dasselbe Instrumentalgemisch auch nach der Pause gespielt wird), aus dem großen Buch (welches ist es denn?... Richtig.... Bibel...) tritt die Erzählerin aus, welche die Geschichte eines Jungen verspricht ... lustige Geschichte, voll vom Optimismus, das die Zuschauer in solchem Maß bekommen werden, dass eine traurigere Stelle in der Geschichte schon im nächsten Lied ohne Probleme überbrücken. Fürchten sie sich nicht, die kluge moralische Belehrung werden sie nicht übersehen, zwar wird sie ihnen nicht wie eine Projektion auf dem Buch projiziert sein, aber sie ist lieb... . Habe ich über Projektionen auf dem Buch gesprochen? Sieh, ich habe die Ereignisse ein bisschen vorgriffen. Im Grunde genommen, so habe ich 90% der Szenenlösung beschrieben, sie wird mit Projektionen, von den singenden Kindern sowie von anderen Sachen, Dingelchen und die Geschichte ergänzenden Momenten gelöst + ein Paar Kleinigkeiten auf der Bühne. Nur manchmal müssen sie wählen, ob sie die Films oder die Schauspieler auf der Bühne folgen werden. Größeren Umbau der Szene erleben wir nur ein Mal. Ich muss mich zu einer Sache bekennen, und ich mache es schon hier, obwohl ich es erst auf den Schluss vorbereitete, sie passt doch auf diese Stelle. Meistens beneide ich dem Schauspieler die beliebte Gestalt, die er in der Vorstellung spielt. Gestern habe ich dem ganzen Ensemble beneidet, dass es in einem so hervorragenden Musical auftreten kann. Falls doch jemand hervorragte, war es Radka Coufalová-Vidlák in der Gestalt der Erzählerin mit der durchaus hervorragenden Stimme und mit der Fähigkeit, die Bühne zu beherrschen (sie haben gut verstanden, es ist meine beliebte Eigenschaft der Schauspieler und Schauspielerinnen). Vielleicht habe ich eine neue Favoritin auf den Bühnen. Die viel diskutierte Erscheinung des Stadttheaters Brno Dušan Vitázek in der Titelrolle überraschte sehr lieb, in den tieferen Lagen hat er sehr angenehmes Stimmtimbre und für die Gestalt eines Einfaltspinsels passt er ohne Zweifel. Schade nur, dass er im Gesicht einen gleich bleibenden Ausdruck hat, sonst ist er ausgezeichneter Joseph. Ein spezielles Lob für seine Leistung gehört an Petr „Gazďa“ Gazdík für die Rolle des Pharaos, welcher die Parodiebeehrung an den bekanntesten von den Rock-and-Roll-Königen ist. Und dies war eine vorzügliche Parodie und noch bessere Beehrung ... und die ausgezeichnete Arbeit mit dem Mikrophon diente sich einen spontanen Lachanfall aus. Warum nur bei mir und meiner Begleitung, das verstehe ich nicht. Von den Josephs Brüdern waren vor allem diese drei zu sehen: Ján Jackuliak, Oldřich Smysl mit ausgezeichnetem „french“ Akzent und Lukáš Kantor würden sich eine spezielle Würdigung für ihre Tänze verdienen. Aber wie ich sage, alle im Ensemble sind ein gut eingespieltes Team, der nur manchmal zu sehen ist. Wie denn nicht, wenn ihnen das ausgezeichnete, live spielende Orchester (aus Playback sind nur die Kinderchore) zur Verfügung steht, das diese bunte Musikmosaike, in der viele Musikgenre enthalten sind, ausgezeichnet einstudierte. Weil dieses Musical wirklich sehr viel an die Kinder bestimmt ist, kann es auch wie ein Lehrbuch für die Musikerziehung dienen. (Aber das moderne "RNB" finden sie im Genreverzeichnis wirklich nicht). Auf der Generalprobe waren die Texte noch nicht immer verständlich, hauptsächlich bei den Chorszenen, ich glaube doch, dass es bei meinem nächsten Besuch das erwähnte "Hi-Fi" Niveau erreichen wird. Schon gestern war es nicht fern davon, was zur Folge hatte, dass ich mich auf meinem Sitz manchmal im Rhythmus bewegt und ein bisschen dem Dirigenten in sein Handwerk gepfuscht habe. Ich glaube nur, dass ich nicht zu viel gestört habe, aber ich konnte mich nicht helfen.
In meiner Rezension muss ich, ob ich will oder nicht, die Brünner Erinnerungsprogramme erwähnen und vorbereiteten sie sich darauf, dass ich hier viel loben werde. Während bei den meisten Musicalproduktionen können sie sich für den Preis von etwa 100,- CZK ein dünnes, großes Büchlein mit ein Paar Photos und mit der Synopsis und maximal mit einem Gespräch und beim großen Glück auch mit ein Paar Liedertexte kaufen, im Stadttheater Brno wird bei jeder Uraufführung auf der Musikszene ein DICKES KLEINES BÜCHLEIN für den Preis von etwa 80,- CZK verkauft, das von den Informationen, Photos aus der aktuellen Vorstellung und auch z. B. von den Zeitphotos der Autoren und vorigen Inszenierungen aus der Welt voll ist. Fachliche und dabei anziehende Texte der Musik- und Musicalfachmänner fehlen dabei nicht und wie die größte Überraschung ist hier das komplette (!) tschechische Libretto des Musicals, dessen Broschüre sie geraden gekauft haben. So konnte ich schon ein Paar Minuten vor der Vorstellung sondieren, wie meine beliebten Passagen von Joseph übersetzt sind. (Wie sonst als mit Witz, der dem Herrn Prostějovský eigen ist). Falls jemand auch ein klassisches Programm nur mit Photos haben möchte, z.B. beim Jesus Christ Superstar war es auch zur Verfügung, bei Joseph gestern noch nicht, aber er sollte sein. Es ist einfach zu wählen, ich persönlich empfehle die Bücher, jenes über Joseph hat beinahe 200 Seiten! Ja, von Zeit zu Zeit erscheint ein Tippfehler in der Jahreszahl, aber das verzeihe ich sehr gern.
Ich glaube, dass wenn sich die Inszenierung ein bisschen adaptieren wird, wird sie zu einer von jenen Kultvorstellungen, die schon jetzt im Stadttheater Brno viele sind.
Falls sie ein Musical suchen, bei dem man nicht traurig wird, im Gegenteil das sie mit Optimismus aufladet, ist der Ausflug nach Brno für Sie eine absolute Notwendigkeit. Ich hoffe, dass man bald sagen wird: "Bist du schon dorthin gefahren und hast du es gesehen?". Sie werden sehen, dass sie nicht einmal das Martyrium mit dem Einkauf der Eintrittskarten bedauern werden. Die Eintrittskarten im Vorverkauf des Stadttheaters Brno zu gewinnen, ist nämlich keine einfache Sache und diese Thematik würde sich sicher eigenen Artikel verdienen. Doch, das ist der einzige Klecks auf diesem Theater mit den wirklich Weltparametern, ausgezeichnetem Service für den Zuschauer und ziemlich freundlichen Preisen der Eintrittskarten.
Mit dem Musical über Joseph durchreisen die Zuschauer die ganze Welt
Simona Polcarová 24. Januar 2005 zdroj Rovnost
Es ist der 21. Januar, 20 Uhr. Im Hannover Theater am Aegi wird das Musical Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat gespielt – im Deutschen! Und so das Lied Any Dream will do, das am Ende der achtziger Jahre von dem Popstar aus Australien Jason Donovan berühmt gemacht wurde, beginnt mit den Wörtern Die Augen zu ...
Auf der Bühne steht ein aufgeschlagenes Buch, auf das die Gesichter der Kinder aus dem Brünner Sängerchor Kantilena projiziert werden (nebenbei, wie Hintergrund zu der Vorstellung bilden sie einen wunderschönen Chor). Die Erzählerin führt die Zuschauer in die Geschichte ein. Zum Hauptheld wird der Sohn von Jacob Joseph, auf den viele Abendteuer warten. Am Anfang wird er von seinen Brüdern in Sklaverei verkauft, und so kommt Joseph nach Ägypten und auch auf Wildwest. In wenig als zwei Stunden durchreisen die Zuschauer mit ihm beinahe die ganze Welt. Mit jedem Lied ändern sich die Seiten im Buch (die witzigen Animationen von Dalibor Černák geben der neuen Umgebung die endgültige Form), eine Szene wechselt die andere, die Handlung hat einen schnellen Verlauf und die Lieder eine erkenntliche Melodie.
Vor allem die Szene bei dem Pharao kostete dem Regisseur Stanislav Moša ein Stück Arbeit. Dieser nimmt das Image des göttlichen Elvis Presley auf sich und mit seiner Männlichkeit bestürzt eine von den Kirchentänzerinnen. Auch der Austritt mit den Brüdern von Joseph, die so abgehungert sind, dass sie sich auch mit einer Fliege begnügen, ist sehr gelungen. Im Schlussfinale werden alle Melodien wiederholt, das Publikum steht auf und applaudiert im Rhythmus den Schauspielern. Bei der Danksagung ruft das Publikum das Ensemble auf die Szene mindestens noch viermal herbei.
Das Musical aus Brno bereist 55 deutsche Städte
Luboš Mareček 24. Januar 2005 zdroj MF Dnes
Brünner Joseph bekam eine Ausnahme
Der Musicalkönig Andrew Lloyd Weber erteilte der Brünner Einstudierung seines Erstlingswerks Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat eine beachtenswerte Ausnahme. Wie die erste in Europa kann die Inszenierung ohne vorgeschriebenen Kinderchor reisen. Zwei -zig kleiner Sänger aus dem Brünner Sängerchor Kantilena begleiten mit ihren Stimmen die Handlung aus einer witzigen Videoprojektion. „Weber schätzte unsere szenische Lösung und erteilte Genehmigung, wir sind wirklich die Ersten“, führte der Regisseur der neunzig Minuten langen Inszenierung Stanislav Moša an. Die Zentralkulisse des Abends stellt ein hohes, aufgeschlagenes Buch dar, auf dessen Seiten die scherzhaften animierten Nachaufnahmen und auch die Kindersänger projiziert werden. Für die Aufführung derselben Produktion in Brno verspricht Moša die kleinen Sänger aus Fleisch und Blut. „Ich bin überrascht, wie wir in Deutschland aufgenommen werden. Tatsächlich hatten wir keine Vorstellung ohne Huldigung der stehenden Zuschauer“, sagt der Führer der Reise Jiří Horký vor der Freitagvorstellung. Der Hinweis auf die Wärme des deutschen, eher durch seine Zurückhaltung bekannten Publikums ging ihm auch in Hannover auf. Fünf Vorhänge und der stehende applaudierende Saal geben ihm Recht.
Titel, die sie gut unterhalten werden
Peter Stoličný 1. Dezember -1
Zwei Uraufführungen im Stadttheater Brno
Die wirtschaftlichen Bedingungen eines nur teilweise von der Stadt dotierten Theaters sind nicht einfach. Das Theater kann den Weg der Erhöhung der Zahl der Wiederaufführungen von einzelnen Inszenierungen beschreiten, was den Betrieb billiger macht, aber gleichzeitig die Gefahr ausbildet, dass der Zuschauerraum nicht immer ausverkauft wird. Es kann aber auch einen anderen, mehr mutigen Weg beschreiten, immer neue und neue Inszenierungen vorbereiten, und so sich den immer ausverkauften Zuschauerraum sichern (sicher, wenn die Inszenierungen gut werden) und stets mit dem Budget kämpfen. Es ist interessant, dass im Stadttheater Brno der zweite Weg ausgewählt wurde, auch wenn hier in den vergangenen Jahren die Zuschauer sicher nicht fehlten. Ich erinnere mich nicht, dass es auf dem Plakat vor der Kasse bei einem von den Titeln der Schild AUSVERKAUFT manchmal fehlte. Warum produzieren sie also eine Vorstellung nach der anderen, wenn sie zurzeit im lebendigen Repertoire auf zwei Bühnen vierzig Titel haben? Es geht wirklich um ungewöhnliche und schockierende Nummer. Es sind wirklich lebendige, während der Saison realisierte Titel. Es kann dafür nur ein einziger Grund sein - es macht ihnen Spaß! Es macht ihnen Spaß, gutes Theater zu machen. Am Ende Oktober waren wir Zeugen von zwei Uraufführungen. Auf der Schauspielszene wurde Goldoni aufgeführt, auf der Musikszene das erste Musical von Lloyd Webber. Beide Inszenierungen waren lustig, mit reicher und bunter Ausstattung, zu beiden Inszenierungen kann man den Attribut: "Kasse Stück" beifügen. Aber immer schön der Reihe nach.
Carlo Goldoni (1707–1793) ist für das Theater immer ein denkbarer Autor. Dieser Stürmer und Neuerer der italienischen Dramatik wurde 33 Jahre nach Molieres Tod geboren. Er war Zeitgenosse von Voltaire und Rousseau, des Romantikers Carlo Gozzi und Enzyklopädist Diderot. Aber in dieser Zeit wurden auch viele Entdeckungen realisiert: Carl Schlee entdeckte Sauerstoff, James Watt Dampfmaschine und Montgolfieri fliegt mit einem Luftballon auf. Die Spanier kämpfen mit den Briten, die Russen mit der Türkei, kleine Kriege münden in einen sieben Jahre dauernden Krieg, bis endlich in Paris fällt Bastille und Napoleon besitzt einen Teil von Italien. Und in diesem politischen und militärischen Aufruhr des achtzehnten Jahrhunderts reformiert der Bühnenschaffende Goldoni, von ursprünglicher Profession Rechtsanwalt, die volkstümliche Commedia dell´arte und bringt die italienische Komödie aus der Straße auf die Barockbühnen der Stadtbuden sowie Palästen. Seine disziplinierten Stücke, in denen er die Improvisation mit genauen, aus dem Leben genommenen Dialogen ersetze, wurden zuerst mit Zurückhaltung angenommen. Eigentlich für das ganze Leben des Autors ist das Wechseln von großen Zuschauererfolgen mit Unverständnis charakterisiert. So wurde auch die Komödie Le baruffe Chiozzote (Streitigkeiten in Chiozza), wie dieses Werk ursprünglich bezeichnet wurde, angenommen. Es geht eigentlich um übliche Streitigkeiten, die wegen Kleinigkeitskrämerei (jemand kauft für jemanden gebackene Kürbisse und es ist Eifersucht daraus) entstehen und wegen deren die Familien der einfachen Fischer auch in große Streitigkeiten kommen. Verhältnisgleich zu der Kleinlichkeit der Konflikte steigen ihre Komik und ihre Gültigkeit während Jahrhunderte auf. Goldoni ist immer aktuell, wir lachen gern zusammen mit ihm über die Dummheit der anderen, weil wir die Zeuge von solchen Sachen jeden Tag sind. Der Regisseur Zdeněk Černín leugnet seine ursprüngliche Profession des Schauspielers in sich nicht. Die Brünner "Viel Lärm in Chiozza" ist ein hoheitliches Schauspieltheater, das mit italienischer Heißblütigkeit und schauspielerischen Bravour eingefüllt ist. Schnelles Tempo, Schlägereien auf der Bühne, oft mit Clownzügen, anschneidend spontane aber genau gemessene Reaktionen auf witzigen Dialogen. Das alles bildet wunderschöne hundertzehn Minuten ohne Pause aus, bei denen die wiederholten Angriffe an Zwerchfelle der Zuschauer einen unvorbereiteten Körper beinahe ganz erschöpfen. In der heutigen Welt treffen wir nämlich so ständiges Lachen nicht zu oft. Auf der Bühne des Stadttheaters Brno doch. Auf der abwechslungsreichen Szene, mit Kostümen von Jan Dušek und mit der Musik von David Rotter sind wir Zeugen solcher schauspielerischen Leistungen, die durch einen markanten Zug charakterisiert sind: den Schauspielern spielt man gut, sie haben an ihren Rollen Freude und sie wissen es übergeben. Es ist schwer zu sagen, wer der Beste ist. Patron von Zdeněk Junák, Beppo von Martin Havelka oder Fischer Fortunato von Erik Pardus? Dieser schaffte mittels Sprachfehler und Ausbleiben von Konsonanten wunderschön unverständliche Repliken und Verstümmelungen der Wörter.
Unterhaltung, nichts anders, nur Unterhaltung. Etwa so kann man diese Vorstellung bezeichnen. Vielleicht nur ein Wort ist dazu zu fügen: sehr gute Unterhaltung...
Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat (im Tschechischen Joseph und sein erstaunlicher buntfarbiger Mantel)
Gleich am Anfang ist ein kleines Missverständnis zu erwähnen. Der ursprüngliche Titel lautet Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat. "Dreamcoat" ist also nicht erstaunlicher, sondern traumhafter, erträumter Mantel. Und "technicolor" ist nicht buntfarbig. 1917 erfand Herbert T. Kalmus einen neuen Prozess der Produktion des Farbfilms und bezeichnete ihn Technicolor. Diese Technologie lebte sich wie der Termin für den Farbfilm ein. Wenn der Librettist Tom Rice das Wort "buntfarbig" verwenden wollte, würde er "Colourful" schreiben. Technicolor ist doch die Metapher, die die Pompöse, Äußerlichkeit, Kitschigkeit der amerikanischen Unterhaltungsindustrie andeuten soll. Glücklicherweise fasste der Regisseur Moša den Joseph auf der Brünner Musikszene gerade auf diese Weise. Wie einen prächtigen, wunderschönen Kitsch. Mit alles was dazu gehört. Technicolorfarben, helle Hintergründe, auf den der Kinderchor projiziert wird, Animationen von Wüsten, Blüten, Palmen sowie Gräser. Expressive Schauspielkunst und wunderschön rein gesungene Arien und Chors, musikalische Tanzkunst, die dem Protagonisten des Stadttheaters Brno schon seit langer Zeit ein jeder beneiden kann. Das Libretto des ständigen Webbers Mitarbeiters Tim Rice wurde vom Michael Prostějovský nachgedichtet, der an jenes ursprüngliches konsequent hielt. Das erinnere ich deswegen, dass die Dramaturgie (jene in Brno wurde von der erfahrenen Pavlína Hoggard gemacht) meistens nach kleineren oder größeren Bearbeitungen des Originals greift. Die Rices Texte sind nicht besonders genial. Der Autor baut die Geschichte wie ein Leporello aus, es liegt ihm wenig an wirklichen Realien (Che Guevara im Musical Evita - das war der Gipfel der Verdrehung der Geschichte). er ist der Autor von unsinnigen Vorsätzlichkeiten und nicht dramatischen Einschüben. Wenn der geniale Webber nicht wäre, würde er nie auf dem Piedestal des musikalisch-dramatischen Ruhmes stehen. Die Musiknummer des ersten, ursprünglich studentischen Musicals Joseph and the Amazing Technicolor Dremcoat trägen die Züge eines indisziplinierten, bis rezessiven Zutritts. Von Benjamin Calypso bis zum Rock and Roll des Pharaos - das alles ist eine freche, jugendliche Brekzie.
Was also macht aus diesem Musikwerk ein erfolgreiches Musical? Es ist sicher die Musik und die Gesang- und Tanzanforderungen, die nur von den Vorbereiteten bewältigt werden können. Das Orchester in Brno wurde von Karel Cón a Igor Rusinko (diesen habe ich gesehen) dirigiert und es ist zu sagen, dass es auch bei ziemlich kleiner Instrumentalbesetzung eine bravouröse Interpretation war. Die Sänger aus Brno haben auch außergewöhnliche Bewegungsdispositionen, im Gegenteil die Tänzer singen, es sind einfach komplexe Musicalpersönlichkeiten. Auf der Vorstellung, die ich gesehen habe, strahlte über allen Stano Slovák (aus der schauspielerischen Familie der slowakischen Slovákovi) in der Rolle des Pharaos. Zum fehlerlosen Gesang fügte er noch komische Manieren eines Rockstars, wofür er sich einen langen Applaus der Zuschauer verdiente. Seine Partnerin Markétka Sedláčková in der Gestalt der Erzählerin bezauberte mit der Reinheit der Stimme, aber auf diese Weise könnte ich fortsetzen und alle Interpreten nennen. Was also macht aus der Brünner Inszenierung des "Josephs" eine so gute Inszenierung? Realisierung. Von der Szene von Ondřej Zicha und von den Kostümen von Andrea Kučerová, über die Filmanimationen von Černáková und Záhorová bis zur einfallsreichen Choreographie von Igor Barberič. Von der Regie von Stanislav Moša bis zu den Schauspiel-, Gesang- und Bewegungsleistungen von allen.
Es ist gelungen, einen wunderschönen Musicalkitsch zu schaffen. Einen wirklichen Technicolor. Aber so wardes ursprünglich auch gedacht. Und Kitsch, das ist keine Beschimpfung. Wenn sich die orangenfarbige Sonne über den ägyptischen Pyramiden neigt und im Vordergrund die Blätter der geneigten Palmen golden glänzen, ist es auch ein Kitsch. Aber wunderschön. Und so ist auch das Musical im Stadttheater Brno. Und das ist gut.
Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat
im 1. Dezember -1 zdroj Kult
Diese Inszenierung, ähnlich wie das Musical Jesus Christ Superstar, absolvierte schon beinahe ein hundert dreißig erfolgreiche Wiederaufführungen der deutschen und englischen Version, und zwar gleich in mehreren europäischen Ländern. Das Musical selbst, das von dem Komponisten Andrew Lloyd Webber und dem Texter Tim Rice verfasst wurde, war ursprünglich nur ein fünfzehn Minuten langes, zum Semesterabschluss in einer Londoner Schule geschriebenes Werk. Die damals neunzehn Jahre alten Autoren ernten so großen Erfolg, dass sie aus dem Werk ein abendfüllendes Musical machten. Die Uraufführung fand 1972 in London statt. Die Brünner, bisher nur bei den ausländischen Zuschauern erfolgreiche Einstudierung erzählt in einer ungewöhnlichen Weise über die schon längs vergangenen sondern uns bis heute nahen Sachen. Die szenische Auffassung, welche unterschiedliche Techniken, einschließlich Animationen, verwendet, wird zurzeit für die beste Einstudierung dieses Titels in Europa gehalten.
Stadttheater Brno: Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat
David Kroča 1. Dezember -1 zdroj Rezension für Český rozhlas 3 Vltava
Das Erstlingswerk aus der Werkstatt der Autoren des berühmten Musicals Jesus Christ Superstar überrascht damit, wie es einfach ist. Geradliniges Thema, einfach in Gedächtnis behaltende Songs, natürliche und verständliche Chore: das sind die Hauptmerkmale des Werks, das unter dem Titel Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat aufgeführt wird. Das ursprünglich fünfzehn Minuten lange Werk entstand am Ende der 60-er Jahre auf die Bestellung einer Londoner Schule zum feierlichen Semesterabschluss. Wegen großem Erfolg machten die Autoren daraus bald ein abendfüllendes Musical und sie führten es in der Welturaufführung 1972 in London auf.
Auch in der erweiterten Version, die heute weniger als neunzig Minuten dauert, ist Joseph mehr ein gewisses Pop-Oratorium oder Pop-Kantate als ein wirkliches Musical. Die Geschichte geht von der bekannten biblischen Geschichte über Jakobs Sohn Joseph und seine elf Brüder aus, aber das Wesentlichste im Werk ist nicht die Handlung. Im Ergebnis handelt es sich eigentlich um eine Montage von Musiknummern, frei mit dem biblischen Thema verbunden, in der unterschiedlichste Musikstile und -genre, vom Pop, über Country bis zur Parodie des klassischen Rock-and-Roll wechseln.
Der Regisseur Stanislav Moša gewinnt möglichst viel aus einem wesentlichen Vorteil des Librettos, und das ist Selbstironie. Er inszeniert Joseph mit großer Obenansicht, auch in die großen Revuenummern tritt er mit parodistischen Elementen ein, die das Sentiment der Geschichte erleichtern. Zu den gelungensten humorigen Auftritten gehört wahrscheinlich die Nummer des ägyptischen Pharaos, der das unwiderstehliche Aussehen des göttlichen Elvis bekam. Doch manchmal ist es vielleicht zu viel, z.B. wenn die hungernden Brüder mit solcher Übertreibung gespielt sind, dass sie an eine Bande der unterentwickelten Dummköpfe erinnern. Der Geschichte auf der Musicalbühne fehlt überhaupt das Dramatische, so dass sie die Zuschauer manchmal nicht wie eine Theatervorstellung sondern eher wie eine bloße Estrade wahrnehmen, was sicher Schade ist.
Was den Bewegungs-, Tanz- und Gesangbestandteil der Inszenierung betrifft, kann man über diesen nicht anders reden, als mit Superlativen. Es ist zu erkennen, dass das Musical die ausländischen Rundreisen absolvierte. Alles funktioniert maschinell genau, und zwar nicht nur dank der witzigen Choreographie von Igor Barberić. Der Regisseur Stanislav Moša nutzte die von den Besitzern der Autorenrechte erteilte Ausnahme und führt auf die Bühne keinen live spielenden Kinderchor, sondern er kombiniert die voraus aufgenommenen Videoaufnahmen der Kindersängern aus dem Brünner Chor Kantiléna mit den Animationen, die das Geschehen auf der Bühne ironisch glossieren. Die Projektionsleinwand auf der zweckmäßigen Szene von Ondřej Zicha wird durch die Seiten eines riesigen Buchs, der Bibel, dargestellt, aus dem, neben den gezeichneten Gestalten auch die lebendige Erzählerin austritt.
In der Rolle von Joseph alternieren drei Schauspieler - Jakub Uličník, Dušan Vitázek und Vladimír Volečko. Bei der zweiten Uraufführung habe ich Jakub Uličník gesehen, der die einfachen melodischen Lieder mit Übersicht singt, der Gestalt des sympathischen und moralisch reinen Helds entspricht er auch, was den Typ betrifft. Die Titelgestalt ist doch nicht - ähnlich wie bei dem Musical Jesus - der anspruchvollste Gesangpart. Diesen bekam die oben angeführte Gestalt der Erzählerin als Angebinde. Markéta Sedláčková sang nachdrücklich und energisch auch in den alten Lagen und es fehlte ihr nicht einmal die Schauspieldimension der Bewegerin der Handlung. Aus den weiteren Rollen möchte ich Stanislav Slovák erinnern, dessen an sich selbst orientierter Pharao das Beispiel der gelungenen komischen Figur ist.
Das Musical Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat hat die Aufgabe, vor allem das Familienpublikum zu unterhalten, aber ich wage es zu behaupten, dass es nicht einmal den anspruchvollsten Zuschauer beleidigen wird. Gerade für diesen kann interessant sein, wie viel heute bekannte Melodien sich in dem älteren, aber weniger bekannten Bruder des Musicals Jesus verbergen.
Josephs Mantel ist wirklich erstaunlich und buntfarbig
Vladimír Čech 1. Dezember -1 zdroj Kam
Zu den Titeln des Tandems Tim Rice – Andrew Lloyd Webber zu greifen, bedeutet zwar die Wette auf die Sicherheit, gleichzeitig droht hier die Gefahr, dass die Inszenatoren sich daran die Zähne ausbeißen können. Das betrifft doch nicht das Stadttheater Brno, das sich schon mit der Rockoper Jesus Christ Superstar die Lobgesänge in vielen europäischen Ländern ausdiente und die Situation wiederholte sich auch bei der zuerst deutschen und dann englischen Einstudierung des Erstlingswerks von diesen beiden Autoren Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat, mit der sich das Ensemble auch in vielen Ländern des alten Kontinents rühmte (bis heute wurden im Ausland 164 Vorstellungen aufgeführt).
Wie den „Jesus“ bietet das Stadttheater Brno den „Joseph“ auch den heimischen Zuschauern an. Natürlich in tschechischer Version, wieder in brillanter Übersetzung von Michael Prostějovský. Darüber hinaus in tschechischer Prämiere (14. und 15. 10. 2006).
Die alttestamentliche Geschichte aus dem Buch Genesis über den charismatischen Joseph, den seine Brüder in Sklaverei verkaufen und der sich vor allem dank seinem eigenen Zutun auf die gesellschaftliche Sonnenseite aufschwingt, wird von beiden Autoren sehr menschlich und also ohne pathetisierte Moralisierung und belastenden philosophierenden Ballast serviert. Josephs Lebensperipetien laufen also mit humorvoller Obersicht und wärmender Liebenswürdigkeit, auch wenn der Titelheld ab und zu harten Kampf um nacktes Leben aufnimmt. Andrew Lloyd Webber ist hier von weitem nicht so markanter Rockautor wie in dem nachfolgenden „Jesus“, wobei seine melodische Mittelströmigkeit nichts mit der Durchschnittlichkeit zu tun hat. Seine Melodien sind lieblich, sie erobern das Herz der Zuschauer, sicher sind sie nicht unterwürfig. Außer einem oder zwei Sätzen in Prosa ist das ganze Werk eine riesige Musikpartitur, die sich jetzt in Brno auch mit der Pause in zwei Stunden hineinpresst.
Der Regisseur Stanislav Moša nahm von der Erstaunlichkeit und Buntfarbigkeit des „Josephs“ nichts ab, im Gegenteil er gab vielleicht noch etwas zu. Leichtigkeit, und Schmiss der Inszenierung erhob viel die Inventionschoreographie von Igor Barberić. Wie es bei diesem Typ des Bewegungs- und Musiktheaters gewöhnlich ist, ist es schwierig festzustellen, wo die Sphäre der Einfälle des Regisseurs endet und wo das Tätigkeitsfeld des Tanzmeisters beginnt.
Das Ausgangsmotiv der Szene von Ondřej Zicha ist die sich öffnende Bibel. Ihre Illustrationen sind von weitem nicht scheinheilig, im Gegenteil ganz lustig, in der Form der naiven Filmanimationen von Dalibor Černák und Benedikt Záhora. Gerade diese Lösung unterstreicht die allgemeine Verspieltheit von allem Geschehen. In dieser Hinsicht konnte sich auch Andrea Kučerová bei ihren Entwürfen der Kostüme austoben. Und wenn Rice und Webber einen Kinderchor strikt vorschreiben, fehlt nicht einmal dieser in Brno, auch wenn die Gesichter der jüngsten Sänger nur aus der Filmleinwand schauen (die Aufnahme für die Videoproduktion wurde doch von dem Chor Kantiléna geliefert).
Falls sich die zweite Sonntagsuraufführung gegenüber der Samstagsvorstellung durch noch freiere Atmosphäre auszeichnete, war es vor allem dank Markéta Sedláčková, die im anspruchsvollen Part der Erzählerin wirklich exzellierte. Was Radka Coufalová-Vidlák betrifft, geht diese Rolle, vor allem was die Intonation betrifft, über ihre Kräfte. In der Rolle des Josephs wirkte bei der ersten Uraufführung Dušan Vitázek viel mehr männlich aus als der mehr lyrische Jakub Uličník um 24 Stunden später. Zwischen beiden Leistungen war doch kein abgründiger Unterschied.
Beide Uraufführungen, die erste von Karel Cón, die zweite von Igor Rusinko dirigiert, bestätigten wieder das traditionelle Bild des Stadttheaters Brno wie eines Ensembles voll von Energie, die es spenden kann. Man spielt hier mit großem Einsatz, wie es um Leben ginge, aber mit jugendlicher Leichtigkeit, bodenloser Vitalität und mit Lächeln auf den Lippen.