Jesus Christ Superstar
Tomáš Holub 26. Juni 2008 zdroj Abyss - Metallmagazin
Nach der erfolgreichen Konzertbearbeitung des Musicals „West Side Story“ entschied sich der Regisseur Petr Gazdík ein anderes Weltwerk, das sich schon seit längerer Zeit im Spielplan des Stadttheater Brno befindet, in die Konzertform zu transformieren - „Jesus Christ Superstar“. Die englische Konzertversion dieser berühmtesten Rockoper aller Zieten im großen Orchesterarrangement unter der Leitung von Igor Vavrda hatte seine Premiere am 19.6.2008, und zwar im Rahmen des Festivals „Sperrrangelweit offen – Brno 2008“.
Mein Premierbesuch der Musikbühne des Stadttheaters Brno gehörte also der Konzertaufführung dieser Rockoper. Auch wenn es wahr ist, dass ich mich vor allem an die Leistung meines beliebten Schauspielers Igor Ondříček freute, den ich in einigen ausgezeichneten Komödien sehen konnte (z.B. „Floh im Ohr“) und der mich auch mit seinem Gesang im Musical „Das Kabarett“ sehr überraschte.
Eine ganze Zeit widerstand ich dem Besuch der Musikbühne des Stadttheaters Brno, auch trotzt den hervorragenden Rezensionen auf die dortigen, mit den Namen von Stanislav Moša, Zdenek Merta, Petr Ulrych, Milan Uhde und von anderen beschützten Inszenierungen. Aber wer konnte dem Jesus widerstehen, nicht wahr?
Die ausgezeichnete Atmosphäre (natürlich außer der lieben Begleitung) zeichneten auch das vor kurzem ausgebaute Gebäude der Musikbühne (mit Möglichkeit, die Sitze im Zuschauerraum variabel anzuordnen) und der geschmackvoll geordnete Hof dieses wirklich modernen Theaters vor, in dessen Inneren sie auch das Restaurant Boulevard, Gartenrestaurant unter Weinrebe, Theaterclub „Nekonečno“, Bars besuchen oder nur so umherstehen und bei fließendem Wasser Konversation führen können. Interessehalber – im Jahre 2004 gewann das neue Gebäude der Musikbühne des Stadttheaters Brno den 1. Platz im Wettbewerb um das beste Gebäude der südmährischen Region und um das Gebäude des Jahres 2004.
Aber jetzt etwas über die Vorstellung. Das Orchester, das auch eine klassische Besetzung der Rockkapelle in sich versteckte, war diesmal nicht vor den Augen der Zuschauer im Orchestergraben geborgen, sondern direkt auf der Bühne angeordnet. Vor dem Konzert selbst waren die Zuschauer vom Direktor des Stadttheaters Brno Stanislav Moša begrüßt, der in seiner kurzen Rede verriet, dass die Einzigartigkeit der Konzertvorstellung des Jesus auch in der Anzahl der spielenden Musiker besteht. Bei einem „klassischen“ Musical sind sie gewöhnlich vierzehn, hier spielten doch entscheidend mehrere Musiker – ich habe ca. 35 zusammengezählt. Fast gleiche Anzahl hatten die Streichinstrumente und Blasinstrumente und darüber hinaus, wie ich schon geschrieben habe, auch die klassischen Rockinstrumente.
Das langsame Intro, in dem sich aus dem leisen Instrumentenvortrag die einzelnen Instrumente einander zu hinreißender Schlusspassage durchdrangen, könnte auch eine ausgezeichnete Einführung jedes Blacmetall-Album sein. Die Zusammenpressung des Klangs sowie wirklich dunkle Atmosphäre leitete die biblische Geschichte der letzten Tage von Jesus Christ, einschließlich seiner Kreuzigung sehr richtig ein. Auch wenn sich um die Konzertversion handelte, verwandelten sich die Schauspieler in bloße Sänger nicht, sondern mit ihrem Ausdruck, Gesten und Darstellung von Musicalpassagen führten sie eine verkürzte Version der Geschichte vor, die so sehr verständlich war. Dazu halfen auch die gut lesbaren Untertitel mit der Übersetzung der Texte ins Tschechische, die im oberen Teil der Bühne zu sehen waren. Ich war auch vom ausgezeichneten Klang und von der Beschallung von einzelnen Instrumenten überrascht. Die Streichinstrumente ergänzten geschmacksvoll die Gitarreparten und darüber hinaus drückten sie die Emotionalität der Geschichte ausgezeichnet aus, während die Blassektion die Ernsthaftigkeit den einzelnen Szenen zugab und sich um die Gradation kümmerte. Die Musik war eine wirkliche Freude für alle Fans der Produktion aus dem Ende der sechziger und Anfang siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, wann in den Rockgruppen zum ersten Mal die Streichinstrumente und andere Nicht-Rockinstrumente erschienen. So war es nicht möglich, die ausgezeichneten Gruppen YES und E.L.O. nicht zu erinnern. Es waren doch auch Nachklänge der Liederproduktion der sechziger Jahre zu hören, und zwar in mehr akustischen Kompositionen, wo die elektroakustische Gitarre das Hauptinstrument war (Soloauftritt von Maria Magdalena und später auch von Jesus). Der britische Komponist Andrew Lloyd Webber erfasste in seinem Musical ausgezeichnet die Musik sowie Atmosphäre der Zeit, in der das Musical entstand (zuerst erschien 1970 die Schallplatte mit den Aufnahmen der Musicallieder, die Inszenierung selbst des Musicals hatte ihre Premiere am 17.10.1971 in New York). Den Schauspielern und Musikern des Stadttheaters Brno gelang es, diese Atmosphäre in der Vorstellung mindestens für eine Weile zu erneuern und es fehlte nicht einmal die spielerische Begeisterung, die für die originelle Filmbearbeitung des Musicals aus dem Jahre 1973 so spezifisch war, wann die Geschichte von Jesus mittels einer Gruppe der jungen Leuten –Hippies dargestellt war. Ein weiterer Stützbestandteil der Vorstellung (aber sehr wichtiger Bestandteil) war das Licht, dessen Synchronisierung mit der Musik und eine gewisse Aggressivität in den gespannten Szenen der Vorstellung eine weitere Dimension zugab (auch wenn das scharfe Licht in einigen wenigen Momenten in den Zuschauern nicht nur das Gefühl der Dringlichkeit, sondern auch der Unannehmlichkeit wecken konnte).
Aus den Komposition erinnere ich mich vor allem an das erlebte Lied „Everything’s Alright“ und an klassische Hits „Superstar“ und „Hosanna“. Der größte Applaus unmittelbar nach dem Ende des Liedes gehörte doch ganz berechtigt an Ivana Vaňková für ihr Lied über Liebeserklärung von Maria an Jesus. Ich kann nicht widerstehen um sie mit Bára Basiková zu vergleichen, die diese Rolle in der ersten tschechischen Aufführung dieses Musicals im Theater Spirála an der Prager Messegelände sang (das Musical wurde vom 22.7.1994 bis zum 28.6.1998 aufgeführt). Während Basiková das Lied zwar fehlerfrei und genau „nach den Noten“ sang, war, meiner Meinung nach, ihr Stimmausdruck wenig ausdrucksvoll und arm an Gefühle. Demgegenüber verlieh Ivana Vaňková diesem Lied außer ihrer Stimme auch ein Teil ihres Herzens und ich muss zugeben, dass ihre interessantere Ausführung nicht mit anderen Worten als „erlebt“ und „herzergreifend“ bewertet sein kann, und das ohne jedes Klischee. Als ausgezeichnet würde ich auch die Leistung von Jiří Mach in der Gestalt von Simon bewerten. Natürlich auch die anderen Akteure können nach den strengsten Maßstäben bewertet sein, wie der in seinem Ausdruck fast unbegrenzte Dušan Vitázek (Jesus), so auch der eigenartige und rebellische Petr Gazdík (Judas), aber auch die anderen (z.B. Igor Ondříček bewegte sich im Souterrain seiner Stimmspannweite). Ich glaube, die Besetzung der Rollen durch die Schauspieler mit unterschiedlichen Vokalausdrücken war sehr gelungen und die Zuschauer konnten so eine reiche Spanne der Stimmen hören, die sich mit bewundernswerter Leichtigkeit in wunderschönen Choren zusammentrafen.
Der unendlose Applaus der Zuschauer (alle 680 Plätze waren besetzt) nach dem Abklingen der letzten Tone der Vorstellung war für alle Akteure eine entsprechende Belohnung. Der Applaus musste Stanislav Moša selbst unterbrechen, der nach dem Dank ihnen allen das Buch über Musicals des Übersetzers (u.a. übersetzte er auch das Musical Jeuss Christ Superstar), Texters, Publizisten, Produzenten und Kenners der Musicals Michael Prostějovský taufte. Diesem gehörte auch die Zugabe in der Form des tschechischen Lieds „Hosanna“, das ihm zu seinem sechzigsten Geburtstag gewidmet wurde.
Ich wage nicht, die erste Inszenierung des Musicals, mit Kamil Střihavka (Jesus), Dan Bárta (Judas), Aleš Brichta (Pontius Pilatus) und anderen bekannten Rocksängern mit der Aufführung im Stadttheater zu vergleichen, es bleibt doch wahr, dass ein Unterschied in der Musikauffassung hier sicher ist. Die Musicalschauspieler des Stadttheaters Brno fürchteten vielleicht nicht, in die Gesangpartituren auch ein Stück ihrer eigener Invention zu geben, was vor allem bei den Liedern von Maria Magdalena zu sehen war. Aber auch der Stil des Gesangs von anderen Schauspielern änderte sich von der „Prager“ Auffassung. Über beiden Inszenierungen kann man doch sagen, dass sie voll von ausgezeichneten Leistungen der Sänger waren, und ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, eine so gelungene Premiere der Konzertversion des Musicals im Stadttheater Brno sehen konnte, darüber hinaus noch in der originellen Sprachversion. Hinsichtlich zu den vorgeführten Leistungen aller Beteiligten ist es klar, dass es in keinem Fall letzter Besuch dieses Theaters war.