Die Operette verschwand noch nicht - zum Glück vernichtete sie das Musical nicht
Tomáš Hejzlar 13. Dezember 2008 zdroj Haló noviny
Über die neue Einstudierung Hervé's Operette Mam’zelle Nitouche in Brno
Fräulein Mucker feiert immer
Die gegenwärtige neue Inszenierung der berühmten Operette Mam’zelle Nitouche - in der tschechischen Übersetzung Fräulein Mucker oder auch Fräulein Rührmichnichtan - ist ein Beispiel der vereinzelten Realisierungsbestrebungen des Stadttheaters Brno. Dieses ganz Abend dauernde Werk, das vom Komponist Hervé - mit seinem eigenen Namen Florimond Ronger - nach dem Libretto von Albert Millaud und Henri Meilhaca komponiert wurde - gehört zu den besten Werken, die im Repertoire der Weltoperetten stehen. Und es ist nicht nur für die Zuschauer in Brno attraktiv. Mit ihrer inhaltlichen Mehrdeutigkeit und manchmal auch vielleicht mit allegorischer Zweipoligkeit (übrigens: welcher Titel ist in den politischen Koordinaten nicht mindestens latent zweideutig?) weißt die Operette auf das Übel ihrer Zeit einfallsreich hin, das doch auch in der Gegenwart aktuell ist. Die Chamäleonmoral der Zentralgestalt, also von Célestin - Floridor selbst in der Operettenform - ist nämlich ebenso "seltsam wie das Verhalten von vielen gegenwärtigen Politikern".
Die derzeitige Inszenierung in Brno geht zwar von den traditionellen Prinzipen für die Operettendarstellung der Partitur aus, sie fasst doch die Aufführung einer Operette nicht wie eine Gesamtheit von Archetypzeichen auf. Die Operettenklischees, die diesen Titel nicht nur auf unseren Bühnen oft begleiten, ändern sich hier in eine fröhlich gespielte Partei, die zwar die Kanonen des Operettenmanierismus respektiert, die sie aber nicht gedankenlos weiterschleppt. Der erfahrene Regisseur Gustav Skála weiß in der derzeitigen Bühnenbearbeitung, die er in der Zusammenarbeit mit Ondřej Šrámek machte, sich der Mentalität eines Zuschauers des 21. Jahrhunderts anzunähren, ohne damit dem Operettenstil zu schaden, was schon gerade vor siebzig Jahren der unvergessliche Komiker (und ebenso einfallsreiche Regisseur, Theaterprinzipal, usw.) Oldřich Nový machte, aus dessen damaligen Bearbeitung jene aktuelle in Brno schöpft. Ja, es war Nový, einstmals auch der Darstellers des Leutnants Champlatreux und dann der berühmten Zentraldoppelrolle Célestin - Floridor, der im Jahre der Unterschreibung des schmachtvollen Münchner Abkommens (1938) das Werk von Hervé politisch modernisierte, sodass es scheint, dass er damit die langen Jahre antizipiert, wann gerade die Zweideutigkeit eine sehr wichtige und zugleich auch sehr gefährliche Rolle auf unserem Territorium spielte. In seiner schon bewährten Übersetzung und Bearbeitung gewann auch diese neue Inszenierung eine spontane, günstige Reaktion des Publikums.
„Die Inszenierung Mam’zelle Nitouche im Stadttheater Brno wird in zwei Bedeutungen aufgefasst - Innovation und Rückkehr" schriebt der Dramaturg des Stadttheaters Brno Jan Šotkovský. „Die Innovation besteht vor allem in der Lokalisierung der Handlung, die nach der Entscheidung des Regisseurs Gustav Skála nach Frankreich der fünfziger Jahre verschoben ist und in der die Armee mit Gendarmerie ersetzt wird - was von der visuellen Seite der berühmten französischen "Gendarmeriekomödien" mit Louis de Funes evident beeinflusst ist."
In sein Team lud der Regisseur Gustav Skála (der zugleich auch Choreograf der Inszenierung ist) den Dirigenten Jiří Petrdlík ein, der den Ruf eines redlichen Künstlers wiederholt gewann. Die Bühnenbildnerin ist Eva Brodská, die das Werk mit leichter Übertreibung und ohne traditionelle Operettenoffizialitäten, einschließlich der typischen schweren Fenstervorhänge usw. auffasst. Der Inszenierung macht es gut! In demselben Geist wird die neue Version auch vom Kostümbildner Roman Šolc aufgefasst, der vielleicht manchmal die Genauigkeit des Zeitklischees zugunsten der visuellen Attraktivität, doch nicht der absurden Modernisierung oder Operettengeschmacklosigkeit umformt. Beide verleihen damit dem Gesamtausdruck einen dazugehörigen Schmiss und in der Gesamtauffassung auch den perfekten Zug.
Der gegenwärtige Darsteller der Doppelrolle Célestin - Floridor ist der ehemalige Darsteller des Leutnants de Champlatreux Igor Ondříček, mit dem Milan Němec alterniert; es handelt sich um erfahrene schauspielerische Persönlichkeiten, denen ihre Rolle wirklich perfekt passt. Außer diesem Interpretierungstandem in der Hauptposition dieser Inszenierung des bekannten Stücks können die Zuschauer auch die zu der anvertrauten Aufgabe empfindliche Radka Coufalová (in der Alternierung mit Johana Gazdíková) als Denisa de Flavigny bewundern, wobei sich diese Schauspielerin beweglich sowie schauspielerisch immer mehr durchsetzt. Sie weiß mit ihrer Bewegung auch die innerlichsten Nuancen auszudrücken - von der geschmeidigen, empfindlichen Eleganz, bis zu der angriffslustigen, Funken sprühenden Ebene, doch immer Noblesseebene ihrer Rolle, immer mit perfektem Verständnis für den Operettenstil, mit evidenter Entlastung, die sich aber manchmal bis zum Operngenre (insbesondere zu jenem komischen) und Musicalschneidigkeit annähert. Als Fernand de Champlatreux treten hier Jiří Mach, Aleš Slanina oder Jiří Zmidloch auf, in der Rolle der Schauspielerin Corinne können die Zuschauer die wirklich angemessenen Leistungen von Jana Musilová oder Pavla Vitázková bewundern. In der Rolle der Oberin alternieren Eva Gorčicová und Irena Konvalinová, denen die vorgeschriebene Gestalt eine große Gelegenheit zu suggestiver schauspielerischer Darstellung anbietet; auch dieses schauspielerische Element bildet die Gesamtatmosphäre in einer gut verständlichen Ebene mit. Eine mehr geprägte Stelle gehört dem Major de Chateau-Gibuse, dem Zdeněk Junák (von Jan Apolenář alterniert) keinen ungenützten Raum lässt. Nicht einmal Loriot, der von Petr Brychta und Robert Jícha dargestellt wird, wirkt starr, was auch für die anderen Darsteller gültig ist.
Im ganzen gesehen, handelt es sich um eine lebendige, dynamisch pointierte, gut bewältigte und kompakte Vorstellung, sodass der Applaus auf der öffnen Szene nicht fehlt. Na, Hervé's Werk ist nicht nur eine repräsentative Klassik - mit seiner Zweideutigkeit spricht es auch den heutigen Zuschauer an...
Mam’zelle Nitouche von Skála "kneift endlich in Schenkel"
Vladimír Čech 1. Oktober 2008 zdroj Kam - Anlage Nr. 10
An der Seite 145 des umfangreichen Programmdrucks zu der neuen Inszenierung der Operette Mam’zelle Nitouche von Hervé (Libretto Henri Meilhac und Albert Millaud) im Stadttheater Brno, deren Prämiere am 7. Juni an der Musikbühne stattfand, erinnert Ondřej Šrámek, Hofdramaturg des Regisseurs Gustav Skála, an ein Moment aus der Posse Floh im Ohr von Feydeau, wann Yveta Camillo in Schenkel kneifen soll. Wenn sich ihre Hand etwas höher befinden wäre, wäre es schon "über etwas anderes".
Diese Bemerkung ist auch für "Nitouche" sowie für eine unübersichtliche Menge von verwandten französischen Operetten und Konservationsstücken gültig, die in ihrer Substanz zwar prickelnd sind, sich aber ihren typischen französischen Charme und Noblesse behalten, wobei die Geilheit hier nur fein angedeutet ist, bzw. der Zuschauer sie erst in seiner Phantasie ableitet.
In dem erwähnten Programmdruck werden meine negative Bewertungen der drei vorigen Brünner Inszenierungen von Mam’zelle Nitouche zitiert (die positive Rezension auf die "Nitouche" von Skála, die das Theater aus Pardubice im Mahentheater als Gast aufführte, wird hier doch nicht erwähnt). Auch im Zeitabstand stehe ich hinter diesen Reihen. Insbesondere die beiden negativ bewerteten Inszenierungen des Singspielsensembles des Staats- bzw. Nationaltheaters Brno, also die Einstudierung von Milan Pokorný und jene spätere von Martin Otava, rochen sogar nach Vulgarität. Wenn wir dazu alle Mängel in der Interpretation zurechnen, war "Nitouche" in den genannten Einstudierungen "auf Dornen gebettet".
Dass Gustav Skála weißt, eine "gute Operette zu machen", darüber überzeuge er vor zwei Jahren gerade im Stadttheater Brno mit seiner frischen Auffassung von Orpheus in der Unterwelt von Offenbach. Für den größten Vorteil seiner neuen Inszenierung von Mam’zelle Nitouche, unter der er als Regisseur, Autor der Inszenierungsbearbeitung sowie Choreograph unterzeichnet ist, halte ich, dass man hier nur "auf den Schenkel greift", also dass die Operette ihren Pfiff, Charme sowie französisch feine Koketterie bewahrte.
Die fast drei Stunden lange Vorstellung ist nicht gerade kurz, sie wirkt doch nicht langwierig. Schon diese Tatsache zeugt darüber, dass es hier kein Mangel an Einfälle gibt, dass es was zu schauen ist. Die Szene von Eva Brodská ist auf keinen Fall arm, sie stellt sich doch entlastet und belüftet, wie auch die ganze Partitur. Und wenn das Brautpaar im Finale in einem feierlich dekorierten Personenkraftwagen erschien, reagierte das Publikum mit lauter anerkennender Verwunderung. Im ganzen gesehen geht es um kleine Verschiebung in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, womit auch die Reminiszenzen auf die berühmten französischen Gendarmeriefilme zusammenhängen, bzw. Ersatz der Armee durch die Polizei. Und man sparte nicht einmal an den Kostümen: Roman Šolc tobte sich in vielen von diesen wirklich schön aus.
Es leiden nicht einmal die Ohren, im Gegenteil! Radka Coufalová (alterniert von Johana Gazdíková) war bei der Prämiere Denisa de Flavigny zum Küssen und Igor Ondříček (alterniert von Milan Němec) genoss offensichtlich seinen Célestin. Um einen Schritt - vielleicht auch um zwei - hinter diesen blieb der nicht zu viel ausdrucksvolle Jiří Mach (alterniert von Aleš Slanina oder Jiří Zmidloch) als Fernand de Champlatreux. Der Dirigent Jiří Petrdlík (alterniert von Dan Kalousek) wählt entsprechende Tempos, er versteht sich mit den Solisten. Wollen Sie die Trübsal des Lebens treiben? Die neue "Nitouche" in Brno weißt es zu schaffen. Und bei wem es nicht gelingt, der sollte sich seine Schwarzseherei durch den Kopf gehen lassen...
Und jetzt das Schöne
30. Juli 2008 zdroj Wochenblatt Rozhlas
Zur Premiere der Mam’zelle Nitouche in Brno schrieb der Dramaturg Ondřej Šrámek eine ausgezeichnete Studie über den Autor dieses lebhaften Werks. In Wirklichkeit hieß er Louis Auguste Joseph Florimond Ronger und er wird für den Vater der französischen Operette gehalten. Sagen sie, dass „Nitouche“ von Hervé geschrieben wurde? Sie haben sicher Recht, sie kennen doch nur ein Teil der Wahrheit. Falls sie mehr erfahren wollen, müssen sie den oben erwähnten Artikel lesen; er wurde in der Programmbroschüre des Stadttheaters Brno zu dieser Inszenierung publiziert.
Sie werden erfahren, dass „Nitouche“ kein einziges Werk dieses außerordentlich produktiven Autors ist, der mehr als ein hundert Bühnenwerke schrieb, und dass auch die Werke Der kleine Faust, L’Oeil crevé oder Chilpéric ebenso wertvoll sind. Sie werden viel über die Atmosphäre des zweiten Keiserreichs und über die Zeit von Napoleon III. lernen, die mit ihrer sorglosen Oberflächlichkeit und mit ihrem Übersehen von wirklichen Problemen grauenhaft ähnlich jener unseren war. Aber was für ein Ende nahm es? Wollen Sie die Geschichte durchstudieren! Sie werden auch über Satire, schwarzen Humor oder französischen Eulenspiegelstreich erfahren, der vielleicht unsere Nationen nahe bringt, es ist für sie doch nicht hilfreich. Über Célestins Doppelleben (Theater- und Klosterleben), das eine treue Kopie von Hervés Lebensschicksalen ist. Er begann als ein Orgelspieler in Bicetre zu arbeiten, wo es einen Zufluchtsort für Irre gab. Die ersten Zuhörer und Interpreter seiner Operetten waren also die Narren. Auch Nitouche selbst lernte die Parte der Babett von Célestin auswendig, weil sie auf dem Kirchenchor die vergessenen Noten fand. Und wie immer, das Glück war den Vorbereiteten günstig!
Wilde Nitouche auf der Musikbühne
Iveta Macková 1. Juli 2008 zdroj Kult.cz
Die Premiere der modern bearbeiteten klassischen Operette Mam’zelle Nitouche wurde Anfang Juni vom Stadttheater Brno aufgeführt. Nitouche kehrt nach fünfzehn Jahren hierher zurück, und zwar wieder in der Regie von Gustav Skála. Für diesen Autor, Regisseur, Choreograf und Bühnenbilder handelt es sich schon um das dritte Treffen mit diesem Titel und es ist zu sagen, dass die neueste Inszenierung ihm wirklich gelungen ist.
In der Titelrolle alternieren Radka Coufalová und Johana Gazdíková. Auch Célestin hat zwei Darsteller - Milan Němec und Igor Ondříček. Während der zweiten Premiere strahlte in der Titelrolle Johana Gazdíková. In der Vergangenheit war es zwar möglich, an Gazdíková ab und zu etwas vorzuwerfen, diesmal war sie doch in jedem Hinsicht perfekt. Ihr schauspielerischer, sängerischer und expressiver Ausdruck sowie Tanzausdruck war beinahe konkurrenzlos - in einigen Szenen war sie sogar mit ihrer Leistung ihrem älteren Kollegen, Darsteller von Célestin Milan Němec, überlegen. Kurz gesagt, die Rolle von Denise passt an Gazdíková in allen ihren Lagen und Nuancen. Von den anderen Darstellern sind z.B. ausgezeichnete Leistungen von Jana Musilová (Corinne), Jan Apolenář (Major) und von vielen anderen nicht zu vergessen.
Die Regie und Inszenierungsbearbeitung von Gustava Skála verleihen dieser neuen Inszenierung eine Ladung sowie einen gewissen Glanz. Sie lassen ihr ihren Operettenstich, in vielen Partien schieben sie sie doch ehr zu einer Musicalvorstellung. Dadurch ist sie keine Naivoperette mehr, sie wird ein dramatisches Musik-Tanzstück, das außerordentlich große Anforderungen an Gesangpotential der Schauspieler sowie an ihren schauspielerischen, expressiven Ausdruck sowie Tanzausdruck legt. Was den Tanzbestanteil betrifft, Gustava Skála, der gleichzeitig auch Choreograf der Inszenierung ist, verleugnet seine Tanzausbildung und Praxis nicht.
Der Wildheit, Komik und Verspieltheit der neuen Inszenierung entspricht auch ihr bildnerischer Bestandteil. Die Szene von Eva Brodská bietet eine farbige doch nicht kitschige Mischung von gewaltlosen, einfach, witzig und spielerisch aufgefassten Schauplätzen sowie Kulissen, für die Sinn für Detail, witzige Andeutung und Betonung der Funktionsfähigkeit und Nutzauswertung charakteristisch sind.
Auf dieselbe Weise sind auch die Kostüme von Roman Šolc vorbereitet – gewaltlos farbige, spielerische, funktionelle und in Übereinstimmung mit der Szene und Handlung dieser Musikkomödie.
Unter der Musikeinstudierung sind die Dirigenten Dan Kalousek und Jiří Petrdlík unterschrieben, wobei der letzt genannte nicht nur dirigiert, sondern auch seinen eigenen, witzigen, die Inszenierung belebenden Auftritt auf der Bühne hat. Kurz gesagt, die neue Nitouche im Stadttheater Brno stellt eine wilde, spielerische, perfekt einstudierte sowie mit Schauspieler perfekt besetzte Inszenierung dar, die jede Zuschauerkategorie unbeachtet von ihrer Genreorientierung ansprechen wird.
„Mam’zelle“ in Brno
Peter Stoličný 16. Juni 2008
In Brno entschied man, die Inszenierung dieser Operette gemäß älterer Übersetzung und Bearbeitung von Oldřich Nový zu realisieren. Ähnlich wie woanders in Tschechien sind hier zu der Bearbeitung von Nový kleine dramaturgische Änderungen zugegeben.
Die Inszenierung im Stadttheater Brno verdient, mit dem Zettel „Perfekt“ gekennzeichnet zu sein. Nicht nur deswegen, dass das Orchester unter der Leitung seines ziemlich jungen Dirigenten Jiří Petrdlík alle Nuancen des musikalischen Humors aus der Vorlage zu gewinnen bewies (und das ist wirklich viel). Die Schauspieler in Brno singen und die Sänger spielen nämlich mit solcher Gewissheit und mit solcher Leichtigkeit, dass sie das alte Klischee verneinen, dass in der Operette jemand singt, ein anderer tanzt und ein anderer spielt, und dass es traurig sowie lächerlich ist, wenn der, der spielen soll, singt, und der, der singen soll, spielt. Im klassischen Operettenensemble herrschte wirklich ein Mangel an Schauspieler und wenn sie jemanden aus dem Schauspielhaus luden, ihnen zu helfen, ragte er mit seinem zivilen Gesang hervor, der mit den geschulten Stimmen der Operettenkünstler unverträglich war.
Wir kamen zum Grundproblem (zum Glück schon überwundenen Problem) der Operette in Brno. Und es ist gut, es zu erinnern: Im Jahre 2001 initiierte der damalige Direktor des Nationaltheaters Brno Mojmír Weimann den Abgang des Singspiels aus dem „Monstrum“ des Nationaltheaters und den Übergang von allen seinen Bestandteilen (Orchester, Solisten, Chor und Ballett) unter das Dach des Stadttheaters Brno, wo der Bau der Musikbühne zu Ende war. Die statutarische Stadt Brno, als Errichter von beiden Theatern, führte unendliche Diskussionen mit Künstlern. Viele warnten: „Es wird Ende der Operette in Brno sein! Der Direktor Moša nimmt in sein Stadttheater das Orchester, das er braucht, aber alle anderen wird er schrittweise auf die Straße setzen, die Rhythmen gegen Elektronik wechseln und nur jene seine Musicals inszenieren! Und die Sänger wird er auch auf die Straße setzen, weil sie nur die Operetten zu singen wissen, und so werden hunderte Menschen ohne Arbeit! Der Übergang zu Moša bedeutet definitives Ende der Operette in Brno!“
Schon die erste Einstudierung der Operette bei „Moša“ – Die lustige Witwe von Lehár – deutete an, dass es in diesem Theater an Operette nicht verzichtet wurde. Es bestätigte dann Die Fledermaus von Strauss. Und es kamen auch andere Operetten an die Reihe, z.B. Orpheus in der Unterwelt von Offenbach, und siehe da, das Publikum war zufrieden. Sehr zufrieden. Es kamen keine Jazzbearbeitungen, keine „Wahnwitze“, die die Feinde des Umzugs der Operette voraussagten und an Moša zusprachen. Aus der Dramaturgie des Theaters entstand sogar ein neues, originelles Werk des Komponisten Zdenek Merta und Librettisten Karel Šíp, Ferdinand, kd’E ste? (Ferdinand, wo sind Sie?). Ein liebes und humorvolles Bild des beginnenden 20. Jahrhunderts im Wirbel der Politik und Operette.
Genau gesagt, nicht einmal vor dem Übergang des Singspiels aus dem Nationaltheater ins Stadttheater verhielt sich das Stadttheater zu der Operette feindlich. In dem Jahre, wann Stanislav Moša seine Funktion antrat, wurde Divotvorný hrnec von Voskovec und Werich aufgeführt, der in Tschechien immer in den Spielplan der Operettenszenen gehörte. Es ist zwar möglich, dass die Dramaturgie den Titel in den Spielplan noch vor seiner Ankunft einordnete, aber Mam’zelle Nitouche ist im Spielplan seit dem Jahre 1993. Ich finde also, dass das Stadttheater Brno sich zu den Singspielstücken nie feindlich verhielt. Nur in der Zeit des „großen Umzugs“ bildeten einige Übelwollenden und mediale Rausche die Atmosphäre, die keinem Theater günstig war.
Heute, nach dem Besuch der „Mam’zelle“ in Brno, kann ich zufrieden konstatieren, dass das Stadttheater Brno mit seinem professionellem Hintergrund von Musikern, Schauspielern (gleichzeitig Sängern und Tänzern) jede beliebige klassische Operette einstudieren kann. Nur nebenbei: Welche Singspielszene kann sich erlauben, die ganze Vorstellung so zu alternieren, dass es für den Kritiker schwierig ist, zu entscheiden, welcher der Protagonisten besser war...?