Grand Hotel. Ein tolles Musical voller bizarrer Figuren
Vítězslav Sladký 20. September 2020 zdroj www.musical-opereta.cz
… Wenn ich die Regiekünste Stanislav Slováks oder das künstlerische Konzept des Bühnenbildners Jaroslav Milfajt und die Kostüme von Andrea und Adéla Kučerová mit einem Wort charakterisieren soll, dann ist es: RAFFINESSE. Die Handlung spielt sich in der aufreizenden Atmosphäre Berlins in der Zwischenkriegszeit ab, der Adel gehört in ganz Europa zum alten Eisen, die reichen Leute haben kein Geld mehr, und aus Gaunern werden die neuen Reichen … Wie bezeichnend auch für die heutige Zeit. Hinter der Fassade mit dem Schriftzug Grand Hotel Berlin ist die Welt jedenfalls noch immer in Ordnung. Oder doch nur auf den ersten Blick? Alles spielt sich ab vor dem Hintergrund von Jugendstil und Art déco, in der Ära der untergehenden Operette und des Siegeszugs von Swing, Jazz und Shimmy. Slováks Regie ist beispielhaft geradlinig, sie spielt wunderbar mit den einzelnen Figuren, ebenso stilrein sind die Kostüme. Die Umbauten des Bühnenbilds laufen sehr rasch ab, während der Vorstellung langweilt man sich nicht eine Sekunde … Das ideale Musical? In Brno kommt man ihm diesmal sehr nahe.
Im Grand Hotel gibt es keine Hauptrolle, und es findet sich hier auch kein zentrales Liebespaar. Obgleich … wer weiß? An großen Rollen gibt es hier jedenfalls wenigstens sieben oder acht. Die größte davon ist für mich persönlich die des todkranken jüdischen Buchhalters Otto Kringelein, wie ihn der absolut überwältigende Oldřich Smysl spielt. Seine Schauspielkunst ist in zurückhaltender Weise mitreißend, er schafft es, Verständnis und gar Mitgefühl für einen Menschen zu wecken, der eigentlich sein ganzes Leben lang Geld angehäuft hat, um dann am Ende zu merken, dass ihm der ganze Reichtum nichts bringt. Das Finale möchte er im ganz großen Stil genießen. Anders als die meisten von uns hat er dazu auch den nötigen Mut. Auch deshalb findet er Freundschaft, Verständnis … und Liebe. Oldřich Smysl schießt nicht für eine Sekunde übers Ziel hinaus, er ist so authentisch wie sein Make-up – ein wenig ausgemergelt und gelblich … Man nimmt ihm leicht ab, dass er an Krebs leidet oder wenigstens an Tuberkulose. Im krassen Gegensatz zu dieser im Grunde zivilen Figur steht die Rolle der alternden Tänzerin Jelisaweta, in der Markéta Sedláčková mit ihrer Schauspielkunst brilliert. Diese Figur ist extrem stilisiert, launisch, in vielerlei Hinsicht lächerlich … Der Künstlerin, die es nicht geschafft hat, rechtzeitig von der Bühne abzutreten, hilft ein ganzer Hofstaat dabei, ihre Illusion aufrechtzuerhalten – sei es ihr Impresario (Zdeněk Junák), ihr Manager (Karel Mišurec) oder ihre extrem treue Partnerin Raffaela (Pavla Vitázková). Markéta Sedláčková ist eine Ikone des Grand Hotels, vergleichbar mit Liliane Montevecchi. Sie spielt, singt und tanzt sicher und fehlerfrei. Und dann ist da noch der bezaubernde Baron Ohnegeld, der charismatische Schuft Felix Von Gaigern. Wenn Kristian Pekar ihn spielt, wird Ihnen dieser verarmte Adlige, Lügner und Kleingauner wohl sogar sympathisch erscheinen. Ähnlich wie Frieda Flamm, attraktive Sekretärin und Schriftführerin, die wie jede hübsche junge Frau von einer Karriere in Hollywood träumt. Marta Matějová ist herrlich naiv in ihrer Sehnsucht, hat ein hübsches Gesicht, tanzt wunderbar, und man nimmt ihr jede Replik ab. Gesanglich nähert sich der anspruchsvolle Part den Grenzen ihrer Möglichkeiten. Den durch und durch zynischen Doktor Otternschlag mit seinem entstellten Gesicht, der die Handlung kommentiert und vorantreibt, spielte Lukáš Janota. In den weiteren Rollen glänzten Ondřej Biravský, Jonáš Florián, Patrick Földeši, Milan Němec, Marek Kolář oder Martina Severová.
Jedes große Musical (und auch jede Operette) hat seine spezielle Ballettnummer: hier brillieren Barbora Remišová und Michal Matěj als perfekt eingespieltes Tanzpaar in der attraktiven Choreografie von Hana Kratochvilová. Die wohlklingende Übersetzung stammt von Zuzana Čtveráčková, als Dramaturgin beteiligte sich Klára Latzková. Doch was wäre ein Musical ohne ein hochwertiges Live-Orchester? Die Brünner Formation unter ihrem Dirigenten František Šterbák lässt die Füße des Publikum nicht ruhen, ganz gleich, ob es nun Jive, Chacha, Shimmy oder Swing spielt.
In der Einstudierung des Stadttheaters Brno ist Grand Hotel ein fantastisches Spektakel. Ein Musical, wo wieder einmal richtig getanzt, gespielt und gesungen wird. Ein Toptitel, den man gesehen und gehört haben sollte.
In diesem Berliner Hotel wird überzeugend geliebt und gestorben
Markéta Lankašová 7. September 2020 zdroj MF Dnes
… Die tschechische Premiere des Musicals Grand Hotel fand, infolge der Corona-Pandemie ein halbes Jahr später als geplant, erst jetzt unter der Regie von Stano Slovák im Stadttheater Brno statt. Und um es ganz klar zu sagen – nirgendwo sonst in Brno hätte sie stattfinden können, zumindest nicht in dieser wirklich mitreißenden Aufmachung. Denn einzig die hiesige Musikbühne mit ihren nicht nur technischen Möglichkeiten und ihrem durchtrainierten Ensemble und Orchester ist in der Lage, eine so groß angelegte Show mit den entsprechenden Anforderungen an Bühnenbild, schauspielerische, gesangliche und tänzerische Leistungen zu stemmen. Noch dazu eine Show, die dank ihrer zwar schon fast hundert Jahre alten, aber noch immer sehr lebendigen Vorlage weder dumm, oberflächlich noch uninteressant ist. Auch wenn es sich hier selbstverständlich nicht um den Roman des Jahrhunderts handelt und die meisten Handlungslinien irgendwie vorhersehbar sind, verleihen einige glaubwürdige Leistungen gut ausgewählter Figuren dem Musical Grand Hotel eine Tiefe, wie sie bei einem choreografisch wie musikalisch derart glitzernden Stück durchaus nicht üblich ist.
Bei der Premiere galt dies ganz entschieden vor allem für Oldřich Smysl, der von seinem Typ wie seiner Schauspielkunst her perfekt in der Rolle des todkranken jüdischen Buchhalters Otto Kringelein aufging, welcher von seinem Ersparten wenigsten in seinen letzten Tagen noch einmal „leben“ möchte und dies gerade im luxuriösen Grand Hotel versucht, wo man ihm zunächst nicht einmal ein Zimmer geben will. Ebenso ist die souveräne Markéta Sedláčková zu nennen, die einst als berühmte Tänzerin Jelisaweta Gruschinskaja das Publikum und auch so manchen Mann verzauberte, jetzt aber vor allem, zu Tode gelangweilt, endlich mit dem Tanzen aufhören möchte, wenngleich sie gleichzeitig auch Angst vor diesem Schritt hat. Und so hat denn das Stadttheater in seinem Repertoire wieder einmal einen sicheren Kassenschlager.
In diesem Musical-Hotel wird es Ihnen gefallen
Luboš Mareček 7. September 2020 zdroj www.brnozurnal.cz
In ein Berliner Luxushotel des Jahres 1929 entführt ein neuer Musicaltitel des Stadttheaters Brno das Publikum. Auf der hiesigen Musikbühne erlebte gestern die bereits im Frühjahr vorbereitete Inszenierung des Musicals Grand Hotel ihre tschechische Premiere. Auf die Zuschauer wartet ein angenehm pulsierendes Retro-Spektakel, bei dem weder mit mitreißenden Swingmelodien noch mit Emotionen aller Art gegeizt wird.
Das Musical basiert auf dem 1929 entstandenen Roman Menschen im Hotel von Vicki Baum (1888–1960), der bereits drei Jahre nach seinem Erscheinen verfilmt wurde. Die Autorin der Vorlage, eine emanzipierte österreichische Schriftstellerin, Journalistin und Harfenistin jüdischer Herkunft, war nachgerade eine Personifizierung der Weimarer Moderne und konnte sich in ihrem von Männern geprägten Umfeld selbstbewusst durchsetzen. Aus der Filmversion des Romans entstand 1958 ein Musical mit dem Titel At the Grand. Dieser ersten Musicaladaption (deren Musik- und Songtextautoren Robert Wright und George Forrest zusammen mit dem Librettisten Luther Davis beschlossen, die Handlung nach Rom zu verlegen) war jedoch kein Erfolg beschieden, der Titel erlebte nicht einmal die geplante Premiere am Broadway.
In den Achtzigerjahren wandte sich das Autorentrio dem Sujet erneut zu, doch hatte es Bedenken, dass es die Inszenierung auch im zweiten Anlauf nicht an den Broadway schaffen würde. Der Komponist Maury Yeston machte sich an die Überarbeitung der alten Version, wobei er schließlich acht ganz neue Songs verfasste und mehr als die Hälfte der ursprünglichen Texte umschrieb. Gerade diese Version wird nun vom Stadttheater Brno auf die Bühne gebracht. Interessanterweise erreicht mit Grand Hotel gewissermaßen eine Yeston-Trilogie auf dieser Bühne ihren Abschluss, nachdem von seinem Autorenteam hier bereits die Titel Nine und Titanic mit großem Erfolg aufgeführt wurden. Im Grunde muss es verwundern, dass Grand Hotel erst jetzt seinen Weg nach Tschechien gefunden hat. Schließlich wurde das Musical unter der Regie von Jozef Bednárik und mit der Choreografie von Libor Vaculík bereits 1993 mit großem Erfolg an der Neuen Szene in Bratislava aufgeführt.
Aber zurück zu der Inszenierung von Regisseur Stanislav Slovák. Das Inszenierungsteam hat dieses Stück als elegant exzentrisches Musical konzipiert. Und in der Tat basiert hier alles auf der Eleganz der Kostüme und den auffälligen, bisweilen geradezu exzentrischen Wendungen der Handlung und pulsiert hier alles wie die allgegenwärtigen Jazz- und Swingmotive. Der Zuschauer begegnet im Grand Hotel keinem zentralen, dominierenden Handlungsfaden, alles wird hier in drei Tagen aufeinandergehäuft wie Bruchstücke ungewöhnlicher menschlicher Schicksale. Er trifft hier auf die unterschiedlichsten Figuren, deren Lebensschicksale ein effektvolles, aber zugleich ganz banales Panoptikum aus großen Träumen, Leidenschaften, Liebschaften und Enttäuschungen, aus Schmerz und Tod bilden. In den Kulissen des Hotels begegnen sich eine alternde Primaballerina, ein gutaussehender, doch einsamer Baron, ein schwerkranker jüdischer Buchhalter, eine attraktive Sekretärin oder ein unausgeschlafener Rezeptionist, dessen Frau gerade ein Kind bekommt. Es durchdringen einander Liebe und Hoffnungslosigkeit, Geburt und Tod, Tränen und eine gewisse Melancholie.
Slováks grandiose Inszenierung ist jedoch nicht nur ein poliertes zeitgenössisches Schaustück, dieses menschliche Treiben lässt sich vielmehr in einem allgemeineren Sinne als ein Gleichnis des menschlichen Lebens auffassen, das von freudigen Momenten ebenso wie von Trauer, von verschiedensten Ankünften und Abgängen geprägt ist. Das Grand Hotel ist hier jene Bühne des Lebens und unseres irdischen Daseins. Die Schöpfer des Stücks haben sich selbstverständlich bemüht, so viel wie möglich aus der visuell attraktiven Atmosphäre des extravaganten Berlins der späten Zwanzigerjahre zu schöpfen. Das Bühnenbild von Jaroslav Milfajt besteht aus dem monströsen Treppenhaus eines Luxushotels, welches eine geradezu kubistische Eleganz ziert. Durch die Verwendung fahrbarer Tische lassen sich vor diesen Hintergrund leicht eine Bar, die Zimmer der einzelnen Helden oder in der abschließenden Szene auch jene fliegende Drehtür platzieren, die nur noch einmal die schon erwähnte Metaphorik des unergründlich dahinsprudelnden Lebens unterstreicht. Dieses sexy Odeur der Ära zwischen den Kriegen findet sich dabei auch in den Kostümen von Andrea und Adéla Kučerová wieder, deren Opulenz zu den vielen starken Seiten des Abends gehört.
Zu den weiteren zählen die wirklich großartigen, einfallsreichen Ensemblechoreografien von Hana Kratochvílová, die eine beispielhaft vollblütige und ganz im Einklang mit den Musikstilen pulsierende Show bieten. Ein wirkliches Erlebnis sind die glitzernden Tanzeinlagen des Chors oder etwa die bravourös getanzten Auftritte der zwei Pikkolos (Patrik Földeši und Tomáš Smička). Die Tanznummern verleihen dieser Inszenierung einen Schwung und Rhythmus, der sich auch in einigen mehrstimmigen Gesangsauftritten widerspiegelt. Gerade diese Schichtung der Stimmen unterstreicht die allenthalben hervorgehobene Mosaikhaftigkeit der ganzen Handlung und bildet auch den erwünschten Gegenpol zu den solo oder im Duett gesungenen Songs. Das Publikum darf sich auf heißblütigen Swing des hinter der Bühne platzierten Live-Orchesters und auf eine ganze Reihe von Hits freuen, die den Broadway erobert haben. Das Musical Grand Hotel ist schon durch die angedeutete Architektur ein wahrer Augenschmaus, und in der Premierenbesetzung kam dazu auch noch ein perfekt funktionierendes Ensemble. Zum Glanz des Abends konnten somit Markéta Sedláčková (Jelisaweta Gruschinskaja), Lukáš Janota (Doktor Otternschlag), Marta Matějová (Frieda Flamm), Kristian Pekar (der Baron), Oldřich Smysl (Otto Kringelein) oder Milan Němec (Generaldirektor Preysing) ihren Beitrag leisten.
In der Darbietung des Stadttheaters Brno ist das Musical Grand Hotel somit ein Paradebeispiel eines effektvollen, aber unaufdringlichen, nostalgischen, aber emotional nicht erpressenden, musikalisch starken und interpretatorisch gemeisterten Bühnenspektakels. Im attraktiven Retro-Gewand wird hier nicht nur ein Hauch der alten Zeiten serviert, sondern auch ein ganz eigener Blick auf das Gewimmel der menschlichen Schicksale.
Die Musicalversion des oscargekrönten Films hatte ihre Premiere in Brno
Peter Stoličný 7. September 2020 zdroj www.kultura21.cz
… Regisseur Stanislav Slovák und Dramaturgin Klára Latzková mussten am Libretto in der Übersetzung von Zuzana Čtveráčková wohl kaum noch etwas ändern. In Brno ist es dank dem Bühnenbildner Jaroslav Milfajt gelungen, ein authentisches Hotelinterieur im damals modischen Stil zwischen Jugendstil und Art déco und mit Anklängen an den Kubismus zu schaffen. Bunte Glasfenster, ein elegantes Treppenhaus und modisch eingerichtete Zimmer, die frühere Stilepochen imitieren – alles für den Luxus und das Wohlbefinden der Hotelgäste. Die Verwandlungen des Szene gingen dank der hochwertigen Bühnentechnik der Musikbühne rasch und nach dem Prinzip eines Filmschnitts vonstatten. In einer so perfekten Dekoration müssen den Akteuren ihre Rollen leicht von der Hand gehen, ganz zu schweigen von der Arbeit der Regisseurs!
Man muss zugeben, dass gerade solche Umbaumöglichkeiten hohe Anforderungen an die Regie wie auch die Bewegung der Protagonisten auf der Bühne stellen. Die musikalische Einstudierung von František Šterbák war konsequent, in der Färbung des Orchesters klangen alle Melodien angenehm und natürlich, behutsam begleitete das Orchester auch die Gesangsparts, wenngleich dies in der heutigen Zeit der drahtlosen Mikrofone nicht immer einfach ist (Tonregie Filip Barák). Die Kostümbildnerinnen Andrea und Adéla Kučerová gingen spielerisch mit dem Ausdruck der herrlichen Shimmy-Mode der Zwanzigerjahre um. Die Figuren wurden präzise danach gekleidet, welchen Charakter sie auf der Bühne spielten. Unbedingt erwähnenswert ist auch die Choreografie von Hana Kratochvilová. Die Tänze drückten genau die Epoche ihres Entstehens aus, und die Ideen ordneten sich dem zeitgenössischen Musikkolorit unter. Die Tänzer Barbora Remišová und Michal Matěj begeisterten durch vorbildliches Zusammenspiel und ergänzten perfekt die Atmosphäre der Szene.
Raum für vielschichtige Leistungen
Von ihren schauspielerischen Leistungen, ihrem Gesang wie ihren Bewegungen her waren, wie man es von diesem Theater nicht anders kennt, alle auf einem sehr hohen Interpretationsniveau. Beim Publikum kam besonders Kristian Pekar als Baron, der überall und bei jedem verschuldet ist, ausgezeichnet an. Als unglücklicher Mensch mit feschem Äußeren stellt er die recht komplexe Figur eines Betrügers und gleichzeitig hochsensiblen Menschen dar. Schließlich kommt er als Einziger im Laufe der Handlung zu Tode. Hier haben die Autoren des Musicals das klassische Sterben in den großen Opern ein wenig zu einer Farce verarbeitet. Ähnlich wie am Ende von Verdis Maskenball Renato den Grafen Riccardo niedersticht und dieser noch halbtot eine anspruchsvolle Arie singt, verhält sich auch unser Held, der Baron.
Wunderbar war die im Hotel alternde Primaballerina, wie sie von Markéta Sedláčková gespielt wurde – weinerlich, von ihrer Umgebung furchtbar verhätschelt und später herrlich verliebt in den Baron. Durch ihre vielschichtige Leistung begeisterte auch Marta Matějová als Frieda Flamm. Ihr stilistischer Umfang von dem schüchternen Mädchen, das von einer Karriere in Hollywood träumt, bis hin zu ihren anspruchsvollen, ja geradezu ausgelassen Tanzkreationen, das war eine bewundernswerte Leistung. Doch nicht nur der jungen Generation wurde Raum gewährt. Auch der von Milan Němec gespielte Generaldirektor hatte eine interessante Rolle – als Mensch, der an Luxus und Überlegenheit gewöhnt ist, findet er sich plötzlich in einer hoffnungslosen wirtschaftlichen Lage wieder. Viele weitere Figuren hätten es noch verdient, hier im Einzelnen erwähnt zu werden. Das ganze Stück verdient größtes Lob für seine Regie, aber auch für alle schauspielerischen, gesanglichen und tänzerischen Leistungen. Dieses Lob gebührt allen, die zu diesem gelungenen Musical beigetragen haben.
Das Musical Grand Hotel in Brno ist rundum gelungen. Den Zuschauerraum der Musikbühne füllte das Publikum mit dem obligatorischen Mund- und Nasenschutz, und zum Abschluss wollte der stehende Applaus kein Ende nehmen. Ohne Zögern gebe ich dieser Inszenierung die vollen 100 Punkte.
Grand Hotel ist voller Gesang, Tanz und interessanter Schicksale
(tr) 7. September 2020 zdroj www.brnozurnal.cz
Die Plakate für das weltbekannte Broadway-Musical Grand Hotel hingen in ganz Brno schon im Frühling, infolge der Pandemie musste das Stadttheater Brno die Premiere auf der Musikbühne jedoch bis Samstag, den 5. September verschieben. Es wurde schon vor der Premiere einige Male gespielt, und die Resonanz war sehr positiv. Das Stück kam im Theater schon vor drei Jahren zur Sprache, unterdessen wurden jedoch zunächst die nicht weniger berühmten Musicals Spamalot und The Last Ship aufgeführt. Bei der tschechischen Premiere von Grand Hotel führte Stano Slovák Regie, es wurde die Übersetzung von Zuzana Čtveráčková genutzt, die musikalische Einstudierung leiteten František Šterbák und Ema Mikešková. Das Live-Orchester, welches die mitreißenden Swingmelodien spielt, bleibt für den Zuschauer unsichtbar.
Grand Hotel gehört zu den besten Musicals überhaupt. Musikautor Maury Yeston ist dem Publikum des Stadttheaters Brno bereits durch die Titel Titanic und Nine bekannt. Diesmal waren an den Texten und der Musik noch Luther Davis und Robert Wright beteiligt. Sie alle wurden nach der Weltpremiere am Broadway im November 1989 für die Tony Awards in zwölf Kategorien nominiert, so auch für die beste Originalmusik. Das Libretto schrieb George Forrest nach Motiven des Romans von Vicki Baum. Das Publikum wird in die luxuriöse Welt des Berliner Grand Hotels im Jahr 1928 entführt. Es erlebt die Schicksale einer alternden russischen Primaballerina auf ihrer letzten Tournee, eines verarmten Barons, der von seinem Gläubiger bedroht wird, einer ehrgeizigen Stenografistin, eines schwerkranken jüdischen Buchhalters oder des Generaldirektors eines großen Industriebetriebs. Ansonsten begegnen wir noch einem unausgeschlafenen Rezeptionisten, der die Geburt seines Sohnes erwartet. Durch die Handlung begleitet uns ein von Lukáš Janota (bei der Premiere) oder Lukáš Vlček gespielter Arzt, dessen Gesicht durch Verwundungen aus dem Weltkrieg gezeichnet ist. Hinzu kommen jedoch noch weitere Figuren, die die Atmosphäre der aufstrebenden nationalsozialistischen Ideologie verspüren lassen. Und natürlich die Tänzer in einer einfallsreichen Choreografie von Hana Kratochvilová. Bei der Premiere am Samstag tanzten Barbora Remišová und Michal Matěj, ihr Solo am Ende des ersten Akts wurde durch einen langen Applaus belohnt. Die Inszenierung enthält eine ganze Reihe von Tanzszenen, wie es sich für eine Show in einem Nobelhotel gebührt.
Die Figur der Frieda Flamm, der schon erwähnten Stenografistin, war eine große Chance für Marta Matějová, die mit ausgezeichnetem Gesang und ebensolchen Bewegungen das Bild einer temperamentvollen jungen Frau in einer schwierigen Lebenssituation zeichnete. Auch Kristýna Daňhelová als zweite Darstellerin bewältigte diese Rolle perfekt. Die komplizierte Figur der Primaballerina Gruschinskaja spielte bei der Premiere bravourös, mit Pathos und Leidenschaft Markéta Sedláčková. Ihre Sekretärin Raffaela Ottanio spielte mit Noblesse Pavla Vitázková (alternierend Diana Velčická). Wenn wir etwas theoretisieren dürfen, so singt sie eher Chansons als Arien. Auf hohem Niveau spielten ihre Rollen auch Kristian Pekar, Oldřich Smysl und Milan Němec als Baron, kranker Buchhalter und Generaldirektor (Aleš Slanina, Radek Novotný und Robert Jícha).
Andrea und Adéla Kučerová entwarfen die zeitgenössischen Kostüme, die den Damen (siehe das Hütchen von Pavla Vitázková) und den Herren gleichermaßen stehen. Bühnenbildner Jaroslav Milfajt entwarf das Jugendstil-Interieur eines großen Hotelfoyers mit markantem Bodenmosaik, wo im Spiel von Licht und Schatten auch die dramatischen Szenen in den Hotelzimmern ihren Platz fanden. Regisseur Stano Slovák hat mit seinen Leuten eine Inszenierung geschaffen, die in ihrer Dynamik an einen Film erinnert. Das Publikum langweilt sich keinen Moment und geht nicht in der Pause nach Hause, sondern empfiehlt Grand Hotel auch Freunden und Bekannten. Das Musical hat eine interessante Vorgeschichte, die in detaillierten Texten im Programm zu der Inszenierung dargestellt wird.
Grand Hotel
Radmila Hrdinová 6. September 2020 zdroj Právo
… Grand Hotel ist wie etliche andere Titel dieser Bühne ein „ etwas anderes Musical“. Auch wenn die große Love Story nicht fehlt, hat das Stück durchaus kein Happy End. Es ist einfach ein Querschnitt durch das Leben mit allem, was dazugehört.
Die Geschichten der sieben Hauptfiguren (und einiger weiterer Nebenfiguren) werden von einem durchkomponierten Musikstrom erzählt, in dem sich ihre Motive und die rauere Musik des von der Tanzkompanie gespielten Hotelpersonals überlagern. Die gesprochenen Dialoge gehen in der Musik auf und überlagern einander so wie die Schicksale der einzelnen Figuren, sie fließen zusammen zu einem Bild der Berliner Gesellschaft zehn Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Auch deshalb wird das Geschehen von einem Feldarzt kommentiert, der durch seine Fronterlebnisse an Leib und Seele gezeichnet ist.
Dennoch ist Grand Hotel kein Cabaret, die Politik bleibt weitgehend ausgeblendet, die Welt des Luxushotels lebt durch ihre Geschichten – da ist eine berühmte Primaballerina am Ende ihrer Karriere, ein bankrotter Fabrikdirektor, der vergeblich versucht, seinen Ruf zu retten, eine junge Frau, die ihren amerikanischen Traum träumt, ein gutaussehender Baron, dem die Schulden bis zum Hals stehen, und da ist ein jüdischer Buchhalter, der vor seinem nahenden Tod das Leben in der luxuriösen Anonymität des Hotels noch einmal voll auskosten will. Manche der Geschichten wirken unvollendet oder geradezu banal, andere dagegen treffen den Zuschauer durch ihre Wahrhaftigkeit mit voller Wucht.
Das gleiche gilt auch für die musikalische Sprache des Musicals: musikalisch raffiniert aufgebaute Flächen wechseln ab mit Songs, die das Publikum vor allem emotional ansprechen, es finden sich aber auch dynamische Tanznummern, die vom energiegeladenen Jazz jener Epoche inspiriert sind. Zusammen ergibt dies nicht immer einen kompakten Klang, wirkt aber entschieden nicht langweilig – vor allem in der hochwertigen musikalischen Einstudierung des Orchesters des Stadttheaters Brno unter der Leitung seines Dirigenten František Šterbák und in den Chorszenen unter der Leitung von Jana Suchomelová.
Als slowakische Premiere brachte Regisseur Jozef Bednárik das Stück bereits 1993 auf die Bühne der Neuen Szene in Bratislava. Seine tschechische Premiere erlebt das Musical erst jetzt in Brno unter der Regie von Stanislav Slovák und mit der ebenso temperamentvollen wie romantischen Choreografie von Hana Kratochvilová. Das monumentale Grand Hotel mit seiner altertümlichen Noblesse und einem Abglanz von Jugendstil wurde von Bühnenbildner Jaroslav Milfajt geschaffen, die herrlichen zeitgenössischen Kostüme entwarfen Andrea und Adéla Kučerová.
Das stark besetzte Brünner Ensemble kann mit zwei Akteuren für alle Figuren aufwarten. Bei der ersten Premiere glänzte in der Rolle der Jelisaweta Gruschinskaja Markéta Sedláčková, Höhepunkt ihres Auftritt war der gesanglich wie schauspielerisch perfekt dargebotene Song Bonjour Amour. Für die Rolle des Otto Kringelein scheint Oldřich Smysl geradezu geboren, die Figur des todkranken Buchhalters brachte er in Gesang und Tanz perfekt zur Geltung.
Kristian Pekar schlug das Publikum nicht nur durch die attraktive Erscheinung des Felix von Gaigern in seinen Bann, sondern verunsicherte es ganz im Sinne dieser Figur, ob sein Baron nun eher ein Gauner oder wirklich der verliebte Gentleman ist. Die Sekretärin Frieda Flamm spielte mit Naivität, aber auch einem Unterton schwerer Lebenserfahrungen Marta Matějová, deren Gesang, Bewegungen und schauspielerische Fähigkeiten große Sicherheit ausstrahlten.
Lob verdienen aber auch die übrigen Schauspieler, sei es nun Pavla Vitázková in der Rolle der hingebungsvollen Gesellschaftsdame Raffaela Ottanio, Milan Němec als Direktor Preysing, Lukáš Janota als verbitterter, zynischer Kommentator Doktor Otternschlag, Jonáš Florián als vom Leben geprüfter Rezeptionist Erik, Patrik Földeši und Tomáš Smička als temperamentvolle Hotelboys oder das ausgezeichnete Tanzpaar Barbora Remišová und Michal Matěj. Zu erwähnen ist selbstverständlich auch die traditionell energiegeladene, präzise, unübersehbare und unüberhörbare Tanzkompanie.