Schöner Beginn des 20. Jahrhunderts
Petr Stoličný 9. Oktober 2006
Ferdinand, kd’Este? auf der Bühne des Stadttheaters Brno
Am Ende September 2006 wurde auf der schauspielerischen Szene des Stadttheaters Brno eine interessante Uraufführung aufgeführt. Ich habe unterstrichen, dass auf der schauspielerischen Szene, weil das Theater noch eine wunderschöne neue Musikszene hat. Es scheint doch, dass die Teilung nach den Genres nicht so streng sein wird, weil gerade auf der Bühne des Schauspieltheaters die Zuschauer die ursprüngliche tschechische Operette sehen konnten. Ihr Titel Ferdinand, kd’Este? erinnert durch die Klangmalerei an den Namen des Erzherzogs Ferdinand, an den der Anschlag in Sarajevo verübt wurde, der den ersten Weltkrieg formal startete. Die Verschiebung der Buchstaben „d’este“ auf „kde ste“ ("wo sind sie") deutet an, dass es sich um ein leichteres Genre, um eine Spitzbüberei handeln wird. Wie denn nicht, wenn unter dem Libretto Karel Šíp, bekannter tschechischer Humorist, Musiker und Spaßmacher unterschrieben ist. Die Musik wurde von Zdenek Merta komponiert, der mehrere in Brno aufgeführte Werke komponierte.
Ein "Stammkünstler" ist auch der Choreograf Vladimír Kloubek. Autor der Szene, nebenbei wunderschön leeren Szene, ist der Schweizer Thomas Schulte-Michels.
Die Operette soll einfache Geschichte haben. Die, die von Karel Šíp in die letzten Jahre der österreichischen Monarchie situiert wurde, ist einfach und geht von den wirklichen Ereignissen aus. Der Thronfolger Ferdinand besuchte sehr oft die Erzherzogin Isabella, sondern nicht deswegen, um ihrer Tochter Cristine den Hof zu machen - das wurde für selbstverständlich gehalten und alle erwarteten die Hochzeit. Der Erzherzog Ferdinand verliebte sich doch in ihre Hofdame Žofie Chotková, die aus der arm gewordenen tschechischen Aristokratie stammte. Die höhere Gesellschaft wollte die Gefahr dieser standsungleichren Ehe verhindern, aber wie es schon in den Operetten geht, die Liebe überwindet alle Hindernisse. Und so kommt auf die Bühne der greise Keiser Franz Josef um den Jungen den Segen zu erteilen. Dem glücklichen verliebten Paar steht nichts mehr im Wege.
Wir alle wissen, wie es ausging, und es musste auch auf der Bühne des Theaters in Brno geschehen. Die Geschichte, die auf dem beliebten Ort des Erzherzogs Ferdinand - in Konopiště und dann im wunderschönen Opatija, vorgeht, endet mit dem Anschlag in Sarajevo. Es ist Ende der Operette und Ende der idyllischen Zeit des Jahrhundertanfangs.
Der Bühnenbuchautor Karel Šíp machte sich mit dem Bau der Geschichte sicher keine großen Sorgen. Den Antritt der Lieder setzte er vorwiegend - aber nicht immer - dort, wo es gesungen sein sollte. Die manchmal witzige, ein andermal weniger witzige Dialoge verlaufen schnell und sie halten die Geschichte nicht unnötig auf. Šíp setzte auf sein eigenartiges Humor, das er an den Reaktionen der Zuschauer während seinen eigenen Vorstellungen und unterschiedlichen Talkshow prüfte. Und er irrte sich nicht. Trotzt dem Bau der Geschichte, der in der Operette nicht üblich ist, vergnügen sich die Zuschauer mit Einzelheiten und es stört sie überhaupt nicht, dass das Ganze nur eine gewisse Mosaike, Faltschachtel, Leporelloalbum ist.
Und warum wählte er den Titel Operette in der Zeit aus, wann überall viele Musicals aufgeführt werden? Der Grund dazu war wahrscheinlich die Bestrebung, die historische Patina zu bilden. Und es gelingt ihm wirklich gut. Wenn man dazu das ausgezeichnet geleitete, live spielende Orchester mit dem Dirigenten Karel Cón (sondern auch Karel Albrecht) und die traditionell gute Schauspielleistungen von allen Protagonisten zugeben, geht uns nur Eines auf: dem Stadttheater Brno gelang es wieder, eine "Kassevorstellung" zu realisieren. Die Eintrittskarten werden, wie immer in diesem Theater, hoffnungslos ausverkauft. Der Zuschauerraum wird mit Lachen donnern und das Publikum wird aus dem Stadttheater Brno zufrieden weggehen.
Immer wenn ich aus diesem Theater ausgehe, erinnere ich mich an ehemalige Proteste in Brno, wann die Musicalszene des Stadttheaters gebaut wurde. Warum so viele Szenen, in Brno gelingt es nicht, sie zu satten. Nun, es gelingt. Es hängt doch von der Qualität ab.
Ferdinand, wo sind Sie? Ich lasse es mir in Brno gut gehen!
Vladimír Čech 1. Dezember -1 zdroj Kam
Die Gegenwart ist der Operette nicht förderlich. Wenn es doch ein leichtfüßiges Musik-Theatergenre aufgeführt wird, dann ist es gewöhnlich ein Musical. Es gibt doch Ausnahmen. Eine von diesen ist das Stadttheater Brno, das am 23. und 24. September die Operettenkomödie von Zdenek Merta (Musik) und Karel Šíp (Libretto) Ferdinand, wo sind Sie? in zwei Uraufführungen und mit anderer Besetzung aufführte. In welchem Maß der Attribut „Operetten-“ gut gewählt ist, ist zweitrangiges Problem. Entscheidend ist das, dass es eine gelungene Vorstellung entstand, die nicht verschweigt, dass sie vor allem intelligent unterhalten will. Es stellt sich also nicht wie ein tiefsinniges Stück, auf anderer Seite biedert es sich nicht an, gleitet nicht in gefallenes Estradehumor ab. Der „Operettecharakter“ wird doch aus dieser Musikspielerei schon von der Geschichte selbst gestrahlt – sie verleugnet nämlich das feine Design der Liebesbücher nicht, obwohl sie die historischen Ereignisse bearbeitet, die am Ende in keinen Happyend sondern in die Tragödie münden. Darüber hinaus sind wir mit dem Thema in der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, was das Goldene Zeitalter der Operette war.
Beide Autoren bieten ihren „Operetten-Ferdinand“ mit großer ironisierender Übertreibung, die schon von dem Titel der Komödie selbst, mit genau vorgeschriebenen Klein- und Großbuchstaben, signalisiert wird. Die witzige Obersicht und Abstand von den historischen Fakten bilden die Voraussetzungen für eine Kaskade von lebensfrischen Szenen und Auftritten, in denen nicht einmal der Kitsch ins Gebet genommen wird, wobei er absichtlich vergrößert wird und in Groteske übergeht. Und so fast schon am Anfang tanzen hier die Waldfichten, Ferdinand greifen sogar drei Tiger an und bald nach der Pause beginnt in den einredenden Chor der Jäger der Frauenchor der tanzenden Hasen auch mit ihren Spielzeugsprossen durchzudringen.
Die Operette Ferdinand, wo sind Sie? wurde vor mehr als einem Jahr schon von dem Singspielensemble des Theaters Plzeň aufgeführt. Die aktuelle Brünner Einstudierung ist doch keine treue Kopie dieser „Voruraffürungsvorstellung“. Vielleicht in allen Hinsichten kam es zu Änderungen. Während in Plzeň zum Beilspiel ein mittelgroßes Orchester auftrat, in Brno musizieren insgesamt nur 10 Instrumentalisten, einschließlich des Dirigenten Karel Cón oder Karel Albrecht, wobei beide noch den Klavierpart bewältigen. Zdenek Merta inspirierte sich diesmal mit „alten“ Tingeltangelkupletten aus der Zeit, die z. B. zu Halšer nicht weit ist. Aber den Komponisten beeinflussten mehrere solche Zeitessenzen. Vladimír Kloubek setzte mit sehr feiner karikierender Ironie alles in Bewegung, es sind also oft seine frische Einfälle, die im Zuschauerraum laute Lachsalven erwecken. Die Inszenierung, unter der der schweizerische Regisseur Thomas Schulte-Michesl unterschrieben ist, der auch ihre szenische Form schuf, entstand angeblich in einer beneidenswerten Gemütlichkeit. Dem kann man glauben, weil vielleicht jeder Austritt darüber überzeugt. Auch wenn die Szene fast nackt bleibt, wobei sie nur von bloßen schwarzen Wänden umgerändert ist, hat der Zuschauer kein Gefühl der Leere. Schulte-Michels benutzt die bildnerische Teilausstattung, ab und zu entdeckt er den Hintergrund, um auf den Keiserhof, zu Serben, in Freudenhaus, zu den Fischern einsehen zu lassen.
Wenn durch die Inszenierung die allgegenwärtige humorvolle Übertreibung geht, können sie nicht einmal die Kostüme von Andrea Kučerová vermeiden. Die historischen Gestalten, insbesondere die Mitglieder des Keiserhofs, sind aber in dieser Hinsicht nicht parodiert oder sogar karikiert. Um ihre Visage zu zeichnen, sind hier meistens die mit Weiß angestrichenen Gesichter verwendet.
Bei der Samstagsuraufführung war es evident, dass die Schauspieler ihre Rollen mit großem Spaß spielen. Vielleicht am deutlichsten war es bei Martin Havelka als Ferdinands Bruder Otto, bekannter Bonvivant, zu sehen. Seine Leistung war so natürlich und überzeugend, dass es sogar schien, dass der Schauspieler nicht „spielt“. In der Titelrolle exzellierte der „entsprechend der Operette“ mehr weiche Petr Gazdík. Josef Lányi, Ungarnlehrer, profiliert mit liebem Kauderwelsch Ján Jackuliak, visuell fast nicht zu erkennen. Die beiden Geheimpolizisten Berger-Šmíd, die hier auch wie ein gewisser Tandem der Führer durch die ganze Vorstellung funktioniert, werden von Tomáš Sagher und Lukáš Kantor dargestellt, die mit ihrer Beredsamkeit und Aussehen im Kontrast stehen. Von den Damen ist mindestens Zora Jandová zu erwähnen, deren Part der Alten Zigeunerin, insbesondere ihrer anspruchsvoller Schlusssong, Zdenek Merta auf Maß schrieb.
Die Operette Ferdinand, wo sind Sie? feiert in der südmährischen Metropole eindeutigen Erfolg. Und der Autor dieser Zeilen erlaubte sich, ihr Titel mit dem Fragezeichen am Ende schon am Anfang um die Antwort: Ich lasse es mir in Brno gut gehen zu erweitern.